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Versammlung: Wichtig auch für Freizeiztreiter

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserem Heft „Erste Schritte zur Versammlung“. 

„Versammlung geht mich nichts an“, mag manch ein Freizeitreiter denken. „Das ist doch nur etwas für Dressurreiter. Ich will mit meinem Pferd durchs Gelände bummeln, das reicht mir.“ So einfach ist es jedoch nicht. 

Und das fängt schon mit der Begriffsdefinition an, wie Caroline Kratzer, Ausbilderin für Freizeitreiten und Reitwartin FN aus dem rheinland-pfälzischen Dohr, anmerkt: „Was ist denn überhaupt ein Freizeitreiter? Bis auf wenige Ausnahmen reiten alle in ihrer Freizeit, sind also im eigentlichen Sinne Freizeitreiter. Wer von ‚Freizeitreitern‘ spricht, meint aber meist die, die ihr Pferd überwiegend im Gelände reiten.“ Auch Nathalie Penquitt, die in Engeln in Niedersachsen die Pferdeschule „Hof Hohenholz“ betreibt, hat so ihre Schwierigkeiten mit diesem Begriff – zumal wenn er als Erklärung dafür herangezogen wird, dass der Reiter eine Ausbildung für sich und sein Pferd als nicht notwendig erachtet. „Am langen Zügel durchs Gelände zu schlurfen, ist nicht das Gesündeste“, gibt sie deshalb zu bedenken und betont: „Die Versammlung hat für jeden, der reitet, eine Bedeutung, völlig unabhängig davon, ob er überwiegend ins Gelände gehen will oder Ambitionen zu etwas anderem hat.“

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Foto: www.slawik.com

Die Versammlung, das betonen beide Ausbilderinnen, dient der langfristigen Gesunderhaltung des Pferdes als Reittier, wobei das nicht bedeutet, dass alle Pferde bis hin zur höchsten Versammlung ausgebildet werden müssen. „Bei der Versammlung gibt es verschiedene graduelle Abstufungen“, erklärt Caroline Kratzer, „von der leichten Verschiebung des Schwerpunktes auf die Hinterhand bis hin zur Levade.“ Ein gut ausgebildetes und gymnastiziertes Pferd hat gelernt, seinen Reiter verschleißfrei zu tragen. Und das ist insbesondere für den Freizeitreiter wichtig. „Reiter, die überwiegend im Gelände reiten, sind erfahrungsgemäß häufig auch mal mehrere Stunden unterwegs. Ihre Pferde müssen deshalb in einem gewissen Maße versammelt sein, um ‚rund‘ laufen zu können und das notwendige Mindestmaß an Tragkraft zu haben“, sagt Caroline Kratzer. Und Nathalie Penquitt verdeutlicht: „Das Gegenteil von Versammlung
ist, wenn das Pferd mit durchhängendem Rücken auf der Vorhand läuft. Es sollte mittlerweile jedem Reiter klar sein, dass das auf Dauer nicht gesund ist.“ Eine gewisse Versammlungsfähigkeit seines Pferdes hat für den Freizeitreiter aber auch ganz konkrete Vorteile, die sich im täglichen Umgang und beim Reiten deutlich zeigen. Der Vierbeiner ist besser gymnastiziert, er reagiert feiner auf die Hilfen, ist also durchlässiger, und er ist ausbalancierter. Und das kommt ihm insbesondere im Gelände, aber beispielsweise auch beim Überwinden von Trailhindernissen zugute. „Ein versammeltes Pferd ist immer wendiger und reaktiver als eines, das ‚auseinander fällt‘“, erklärt Caroline Kratzer. „Der Bremsweg ist kürzer, die Balance besser, die Beeinflussbarkeit durch
Gewichtshilfen wächst. Alle unebenen, glatten, unwegsamen oder auch bergigen Geländestrecken meistert ein versammeltes Pferd leichter.“ Und Nathalie Penquitt ergänzt: „Das versammelte Pferd ist trittsicherer. Außerdem braucht der Freizeitreiter ein Pferd, das gehorsam auf den Schenkel reagiert, beispielsweise bei Angst auslösenden Situationen im Gelände oder wenn es in einem Trailhindernis ganz exakt auf einer bestimmten Linie gehen muss. Dafür sind eine sinnvolle Gymnastizierung und ein gewisses Maß an Versammlung notwendig.“

Kernlektion und Orientierung dafür, wie weit sich auch das Freizeitpferd versammeln lassen sollte, ist für Nathalie Penquitt das Schulterherein: „Mit dem Schulterherein kann ich mein Pferd hervorragend gymnastizieren. Schulterpartie und Rücken werden gelockert, das Pferd schwingt besser und kann sich besser ausbalancieren. Außerdem muss das innere Hinterbein im Schulterherein mehr unter den Schwerpunkt treten und Last aufnehmen. Ich bin der Meinung, dass alle Reiter – auch die so genannten Freizeitreiter – das Schulterherein im Trab beherrschen sollten. Das wäre in meinen Augen der Grad an Versammlung, der in jedem Fall erreicht werden sollte.“ Inwiefern der Reiter die Versammlungsfähigkeit seines Pferdes darüber hinaus noch fördert, bleibt ihm dann selbst überlassen. „Die Grundvoraussetzung ist, dass jedes Pferd ausreichend Tragkraft besitzt, um unter dem Reiter gesund zu bleiben. Alles darüber hinaus ist sozusagen Luxus, der zunächst einmal auch den Komfort des Reiters erhöht und das Pferd auf Dauer schöner aussehen lässt“, meint Caroline Kratzer dazu. „Hat ein Freizeitreiter Spaß daran, sein Pferd dressurmäßig ein bisschen weiter zu fördern, hat er, bei entsprechendem Fleiß, im Ausbildungsschwerpunkt ‚Versammlung‘ meines Erachtens auch mehr Chancen, sein
Pferd, unabhängig von dessen Körperbau, zum Athleten zu formen. Beim Entwickeln der Schubkraft sind vielen Freizeitpferden hinsichtlich ihres Exterieurs hingegen schnell Grenzen gesetzt.“
Möglichkeiten, die Versammlungsfähigkeit seines Pferdes zu schulen, bieten sich dem Freizeitreiter viele. So kann er vor allem auch die Gegebenheiten seines Ausreitgeländes nutzen. Wer mit einer besonders hügeligen Umgebung gesegnet ist, ist dabei klar im Vorteil. Denn vor allem das Bergauf- und Bergabreiten kräftigt Hinterhand- und Rückenmuskulatur des Pferdes. Caroline Kratzer rät außerdem zu harmonischen Gangart-Wechseln. Nach entsprechender Vorbereitung könne ein Pferd zudem auch einmal bergauf ein paar Tritte rückwärtsgerichtet oder im Trab oder Galopp bergab geritten werden. Auf guten und ebenen Wegen kann auch ein Schulterherein eingebaut werden. Kurven sollten außerdem nicht irgendwie, sondern sorgfältig und gebogen geritten werden. „Das Pferd nur im Gelände gymnastizieren zu wollen, halte ich allerdings für sehr schwierig“, schränkt Nathalie Penquitt ein. Ihrer Ansicht nach sind für jeden Reiter regelmäßige Gymnastizierungseinheiten auf dem Reitplatz sinnvoll. Für die Förderung der Versammlungsfähigkeit eignen sich dabei alle Lektionen, die die Hinterhand stärken und die Tragkraft fördern. „Neben dem Schulterherein sind Rückwärtsrichten und daraus antraben oder Schritt-Halt-Rückwärtsrichten-Antraben geeignete Lektionen“, sagt Penquitt. „Sinnvoll ist auch, geschmeidig auf kleinen Bögen zu traben. Dabei kommt das innere Hinterbein weiter unter den Schwerpunkt. Das Reiten über Bodenhindernisse und Stangen hilft, die Beweglichkeit und Trittsicherheit zu schulen, was wiederum eine gute Voraussetzung für die Versammlung ist.“ Unabhängig davon, für welche Lektionen der Reiter sich entscheidet, ausschlaggebend
ist, wie er es macht. Denn nur dann, wenn sie korrekt geritten werden, können sie auch zur Versammlungsfähigkeit beitragen. Oft ist dabei dem Freizeitreiter gar nicht bewusst, was Versammlung eigentlich ist, nämlich das Ergebnis guten Reitens. Ein zu starker Handeinsatz oder auch zu langsames Reiten, weil Langsamkeit mit Versammlung verwechselt wird, sind die Folge. Ein viel fatalerer – und bei Freizeitreitern leider immer noch anzutreffender – Fehler ist außerdem, wenn sich der Reiter überhaupt nicht mit der Versammlung befasst. „Aber das ist meiner Erfahrung nach zum Glück eher selten der Fall“, erzählt Nathalie Penquitt. Ein Indiz dafür, dass der Freizeitreiter in Sachen Gymnastizierung und Versammlung mit seinem Pferd auf dem richtigen Weg ist, ist nach Auffassung beider Ausbilderinnen, wenn sich das Pferd jederzeit geschmeidig bewegt, durchlässig auf die Hilfen reagiert und an den richtigen Stellen Muskeln aufbaut. Und für die, die im Gelände überprüfen wollen, wie weit ihr Pferd sich schon versammeln lässt, hat Caroline Kratzer noch einen Tipp: „Wenn der Reiter vom Sitzgefühl her auf einer steileren Bergab-Strecke den Eindruck hat, dass der Untergrund eher waagerecht ist, dann ist sein Pferd in den Hanken gut gebeugt.“

Die Autorin Swea Menser ist im Redaktionsteam der Dressur-Studien und begeisterte Freizeitreiterin.
Mehr Informationen zu Caroline Kratzer finden Sie auf der Internetseite www.caroline-kratzer.de und zu Nathalie Penquitt unter www.penquitt.de.
Lesetipps:
Nathalie Penquitt: „Nathalie Penquitts Pferdeschule: Zauber der
Verständigung. Gymnastizierende Übungen an der Hand – Bodenarbeit – Zirkuslektionen“, Kosmos, 2010

 

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserem Heft „Erste Schritte zur Versammlung“. 

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