Benjamin Werndl geht es beim Reiten vor allem darum, dass das Pferd sich trägt und der Reiter zum Loslassen kommt – im Trab ebenso wie im Galopp oder Schritt. Der Trab ist für den Grand-Prix-Reiter und Träger des Goldenen Reitabzeichens die Gangart, die sich am besten entwickeln lässt. Im Gespräch mit Nicole Hein verrät der Dressurreiter, der zahlreiche internationale Top-Platzierungen vorweisen kann, Mitglied im B-Kader war und zusammen mit seiner Schwester Jessica von Bredow-Werndl einen Ausbildungsstall betreibt, warum ihm die Pferde mit viel Vorwärtsdrang die liebsten sind.
Herr Werndl, heute wird bei der Beurteilung eines Pferdes viel mehr Wert auf den Trab und die Trabverstärkung gelegt als früher. Wie hoch schätzen Sie die Bedeutung dieser Gangart ein?
Der Trab ist wesentlich. Aber ich würde ihn nicht unbedingt herausheben, denn Schritt und Galopp sind genauso wichtig. Es gibt aber in der Dressurarbeit Lektionen, für die ein guter Trab Grundvoraussetzung ist. Beispielsweise die Piaffe. Für eine gelungene Piaffe ist ein durchlässiger Trab wichtig – damit meine ich einen durch den Körper schwingenden Trab.
Von allen Gangarten lässt sich der Trab am besten entwickeln. Ich habe manchmal Pferde, die einen sehr guten Schritt und einen sehr guten Galopp haben – aber einen eher normalen Trab. Wenn diese Pferde ein kraftvolles Hinterbein haben, das zum Vorderbein passt, kann ich an dem Trab gut arbeiten. Oft gelingt es mir, den Trab so weit zu verändern und zu verbessern, dass ich hinterher ein Pferd habe, das in allen drei Gangarten sehr gut ist.
Gerade bei Pferden mit viel Vorwärtsdrang im Trab neigen Reiter schnell dazu, zu viel mit der Hand einzuwirken. Wie lässt sich das korrigieren?
Das Zauberwort heißt hier „Balance“. Denn ein Pferd, das in Balance ist, rennt nicht weg. Um das zu erreichen versuche ich, es an meine Hilfen, also an meinen Sitz zu bekommen. Ich lasse meine Waden am Pferd und gebe ihm so ein Gefühl von Sicherheit. Meistens ist es bei heißen Pferden sinnvoll, an der Akzeptanz des Sitzes beziehungsweise der treibenden Hilfen zu arbeiten. Denn erst wenn das Pferd die Hilfen des Reiters akzeptiert, kommt er wirklich zum Reiten. Ganz wichtig ist dabei das Treiben – ohne dabei zu klemmen! Ohne Treiben komme ich nicht zum Loslassen und ohne dass ich loslasse, kann es das Pferd auch nicht. Hilfreich finde ich bei einem rennenden Pferd Übergänge. Zum Beispiel Trab, Schritt oder Trab, Halten. Oft richte ich das Pferd ein paar Tritte rückwärts. Aber ich nutze das Rückwärtsrichten dann nicht als Strafe, sondern gestalte die Lektion eher spielerisch. Und ganz ehrlich, Pferde, die rennen eignen sich gut für den großen Sport. Wenn ein Pferd vorwärts will, ist das die halbe Miete. Jeder, der so ein Pferd hat, sollte sich freuen. Mir sind diese Pferde die liebsten.
Wenn der Reiter sich verspannt und nicht in der Lage ist, geschmeidig zu sitzen, verspannt sich auch das Pferd in der Rückenmuskulatur – und der Reiter kommt noch weniger zum Sitzen. Wie lässt sich dieser Kreislauf durchbrechen?
Dieser Kreislauf fängt beim Reiter an und hört beim Reiter auf. Ich beobachte häufig, dass überall nach Fehlern gesucht wird: beim Sattel, beim Pferd … aber viele Reiter suchen das Problem zu wenig bei sich selbst. Dabei ist das Hauptthema fast immer der Reiter. Er muss sich entspannen. Wir machen deshalb immer wieder Sitzübungen an der Longe. Der Reiter soll einen stabilen, im Gleichgewicht bleibenden Sitz entwickeln. Erst wenn ihm das gelingt, kann auch das Pferd locker und durch den Rücken schwingend gehen. Und das ist es doch, was wir wollen: Ein durchlässiges Pferd, bei dem der Reiter zum Loslassen kommt.
Es gibt Pferde mit sehr viel Schwung im Trab. Viele Reiter haben Schwierigkeiten damit, diese gern als „Bewegungswunder“ bezeichneten Pferde auszusitzen. Wie sehen Ihre Erfahrungen mit schwer zu sitzenden Pferden aus?
(lacht) Ich bin vielleicht nicht der beste Ansprechpartner für diese Frage. Ich finde diese sogenannten „Bewegungswunder“ nicht unbedingt schwer zu sitzen. Schwierig zu sitzen finde ich Pferde, die fest im Rücken sind. Denn das typische „Werfen“ tritt eigentlich nur bei Pferden auf, die fest sind. Ein Pferd, das locker im Rücken ist, ist auch bequem zu sitzen.
Wenn ich ein Pferd habe, das sich im Trab festhält und die Beine hochreißt, nehme ich das Tempo heraus. Ich versuche, einen „kleineren“, lockeren Trab zu reiten und konzen-
triere mich darauf, dass das Pferd im Rücken schwingt. Über den lockeren Rücken baue ich wieder Spannung auf und erhöhe das Tempo.
Wie verbessern Sie bei einem vom Gangvermögen her eher begrenzten Pferd den Trab?
Darauf kann ich gar nicht pauschal antworten. Habe ich ein Pferd, das eher schnell im Ablauf ist, entschleunige ich es. Wir nennen das bei uns den Zuckeltrab. Ich versuche, tief „im Pferd“ zu sitzen und es zum Schwingen zu bringen. Dieses Schwingen nehme ich mit, wenn ich wieder zum normalen Tempo zurückkomme. Oft reite ich Seitengänge, oder auch zum Beispiel Schenkelweichen, im Trab. Dadurch bringe ich ein Pferd dazu, den Rücken freizugeben.
Wenn ich ein Pferd habe, das langsam im Ablauf ist, versuche ich, die Frequenz zu erhöhen, also das Pferd fleißiger zu machen. Ich reite viele Übergänge, zum Beispiel Trab–Galopp oder Galopp–Schritt.
Überhaupt arbeiten wir unsere Pferde anfangs viel im Galopp. Denn im Galopp ist es leichter, die Hinterbeine unter den Schwerpunkt zu bekommen. Wenn das Pferd im Galopp locker ist und den Rücken freigibt, kann ich das mit in den Trab nehmen.
Viele Reiter schwören auf Stangenarbeit im Trab. Wie wichtig ist diese Ihrer Erfahrung nach tatsächlich?
Wir haben mit der Stangenarbeit im Trab gute Erfahrungen gemacht. Allerdings steht sie bei uns nicht im Vordergrund. Wir sind keine Stangenexperten. Wir nutzen sie als Abwechslung für Pferd und Reiter.
Das Tritte-Verlängern beziehungsweise der Mitteltrab ist für viele Reiter ein Stolperstein in der Dressurprüfung. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?
Oft legt der Reiter zu viel zu und das Pferd legt sich auf die Hand. Das ist falsch. Der Reiter darf nur so viel zulegen, wie er auch loslassen kann. Am besten lässt es sich üben, indem immer nur ein paar Tritte zugelegt werden. Dann versammelt der Reiter das Pferd und legt daraus wieder zu. Aus den paar Tritten im Zulegen werden im Laufe der Zeit immer mehr. Wichtig ist, immer aus einer korrekten Versammlung heraus zuzulegen – und nur dann, wenn sich das Pferd im Gleichgewicht befindet.
Was ist beim Reiten von Trabverstärkungen noch zu beachten?
Es lässt sich gut erkennen, ob das Pferd nur rennt oder tatsächlich die Tritte erweitert. Der Reiter sollte darauf achten, dass es wirklich über die Spur der Vorderhufe tritt. In der Dressur wollen wir bei der Trabverstärkung einen Raumgewinn, ein „Großwerden“ neben einer Rahmenerweiterung. Mein Tipp ist, sich das auch einfach einmal zu trauen. Der Reiter muss das Zulegen wollen und mutig reiten. Auch wenn beim Üben Taktfehler passieren, ist das nicht schlimm. Es gibt Reiter, die bleiben in der Theorie stecken. Ich rate meinen Schülern oft, die Trabverstärkung nicht zu kompliziert zu machen. Sie sollen einfach mal das fühlen, was unter ihnen passiert und sich trauen, nach vorn zu reiten.
Herr Werndl, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Informationen zu Benjamin Werndl finden Sie unter www.aubenhausen.de oder direkt unter www.benjamin-aubenhausen.de