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Das Leichttraben im Fokus der Wissenschaft

Dieser Artikel ist eine Ergänzung zu unserem Heft „Fluch oder Segen? Vorwärts-Abwärts und Leichttraben“

Das Leichttraben im Fokus der Wissenschaft

Im Reitsport wird häufig die Ansicht vertreten, dass das Leichttraben den Pferderücken weniger belastet als beispielsweise das Aussitzen. Gerade deshalb scheint Leichttraben so beliebt, insbesondere bei der Ausbildung junger Pferde und als Warm-Up in Trainingseinheiten. Auch Forschergruppen aus den Niederlanden und aus Schweden haben sich dem Leichttraben aus verschiedenen Blickwinkeln genähert – mit teils überraschenden Erkenntnissen.

 

Foto: Marco Scheidecker

Einfluss auf die Rückenaktivität und die Kopf-Hals-Position des Reitpferdes

In einer gemeinsamen Studie von Forschern der niederländischen Universitäten Wageningen und Utrecht wurde an zwölf Pferden untersucht, inwiefern sich das Leichttraben auf die Rückenaktivität sowie die Kopf-Hals-Position der Pferde auswirkt. Mittels dieser Studie sollte die weit verbreitete Ansicht, Leichttraben sei weniger belastend für den Pferderücken, entweder gestützt oder widerlegt werden.

Für die Studie wurden sechs Infrarotkameras verwendet, die reflektierende Markierungen, die an den Pferden angebracht waren, aufnahmen. Die Markierungen wurden auf der Wirbelsäule in Höhe des ersten, dritten und fünften Lendenwirbels sowie am dritten Segment des Kreuzbeins angebracht. Weitere Markierungen wurden auf der linken Körperseite der Pferde in Höhe der Crista facialis (seitliche Knochenleiste am Oberkiefer) sowie des ersten, dritten und sechsten Halswirbels angebracht. Mit Hilfe dieser Technik wurde die dreidimensionale Bewegung der Wirbelsäule – bezogen auf Streckung, Beugung und Gesamt-Bewegungsausmaß –sichtbar gemacht. Ebenfalls betrachtet wurde die Lateralflexion, das heißt die Biegung, sowie die Winkelung von Kopf und Halswirbelsäule. Mithilfe weiterer Markierungen an der Außenseite des linken Vorder- und Hinterhufs sowie an der Innenseite des rechten Vorder- und Hinterhufs konnte zudem der zu betrachtende Bewegungszyklus, also die vollständigen vier Phasen des Trabs genau bestimmt werden.

Um die Ergebnisse vergleichbar zu machen, wurden nur niederländische Warmblüter, alle ähnlichen Alters, Gewicht, Größe und Trainingszustand ausgewählt, die alle von ein und demselben, fortgeschrittenen Reiter geritten wurden. Die Untersuchungen wurden jeweils einmal ohne Reitergewicht, hierzu wurden die Pferde an der Hand vorgetrabt, und dann jeweils im Leichttraben und ausgesessenen Trab wiederholt.

 

Die Studie kam zu der Schlussfolgerung, dass die ermittelten Ergebnisse keinen Anlass dafür geben, Leichttraben als weniger belastend für den Pferderücken anzusehen. Der ausgesessene Trab zeigt insgesamt einen größeren Dehnungseffekt auf die Rückenlinie, als bei den an der Hand vorgeführten Pferden. Der Dehnungseffekt auf die Rückenlinie war beim Leichttraben und Aussitzen nahezu identisch, während die maximale Abkürzung der Oberlinie beim Leichttrabens eher zu denen, der an der Hand vorgeführten Pferde korrespondiert.

Kopf und Hals wurden beim Leichttraben insgesamt niedriger getragen. Dies war wohl insofern überraschend, als dass der Reiter angewiesen wurde, in beiden Situationen gleich zu reiten. Dennoch war der gemessene Winkel in der unteren Halswirbelsäule, das heißt im Übergang zur Brustwirbelsäule, beim Aussitzen enger als beim Leichttraben.

Interessanterweise haben die Studienpferde beim Leichttraben eine größere Lateralflexion, das heißt Biegung des Rumpfes als beim Aussitzen oder freien Traben. Für diese Auswertung wurden allerding nur die Daten von acht Pferden herangezogen, was sich sicherlich auf die Aussagekraft der Studie auswirkt. Spannend wäre zu wissen, durch welchen Effekt diese vermehrte Rumpfbiegung im Leichttraben ausgelöst wurde. Dies wurde leider nicht beschrieben.

 

Bewegungsabläufe (Kinetik) und Wirkung von Kräften (Kinematik) auf das Pferd beim Leichtraben

In einer weiteren Studie, diesmal von Forschern der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala und der Universität Utrecht, sowie den Universitätskliniken für Veterinärmedizin in Uppsala und Zürich wurden die Bewegungsabläufe sowie die auf das Pferd wirkenden Kräfte, die beim Leichttraben entstehen, an sieben Pferden untersucht. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob sich die Bewegungsabläufe oder die Krafteinwirkungen zwischen den linken und rechten Gliedmaßen verändern – je nachdem, ob die Pferde auf dem linken oder auf dem rechten Fuß getrabt werden. Die möglichen Auswirkungen auf die Asymmetrie der Fortbewegung beim Leichttraben wurden bis dahin kaum untersucht.

Auch diese Pferde der Studie wurden mit reflektierenden Markierungen versehen, die von zwölf speziellen Infrarotkameras aufgenommen wurden. Die Markierungen wurden links und rechts des ersten Halswirbels, des sogenannten Atlasflügels, und im weiteren Verlauf der Wirbelsäule auf den Dornfortsätzen des sechsten Brustwirbels sowie des fünften Lendenwirbels aufgebracht. Weitere Marker wurden beidseitig an den Hüfthöckern und an allen vier Außenseiten der Hufe angebracht. Zur besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse wurden nur Pferde fortgeschrittenen Ausbildungsstands (Grand Prix-Niveau) ausgewählt. Die Pferde wurden alle von ihren eigenen Reitern auf einem Laufband, jeweils im Leichtraben auf dem „richtigen“ und auf dem „falschen“ Fuß geritten. Währenddessen wurden die Bewegungsabläufe aufgenommen und mittels Kraftmessplatten die sogenannten Bodenreaktionskräfte gemessen. Das bedeutet, bei der Ganganalyse wurde die Kraft gemessen, die der Pferdekörper durch das Traben auf den Boden überträgt. Alle Reiter waren angehalten, ihre Pferde in Dressurhaltung, das heißt in relativer Aufrichtung, mit der Nase leicht vor der Senkrechten vorzustellen.

 

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die einwirkenden Kräfte, während des Einsitzens des Reiters, auf die fußende Diagonale erhöht waren. Die maximale Vorführung der Hintergliedmaße war verringert, während die Rückführung der Vordergliedmaße erhöht und die gemessene Höhe am sechsten Brustwirbel verringert war. Daraus ergab sich die Schlussfolgerung, dass die Bewegung des Reiters eine ungleichmäßige zweiphasige Belastung bewirkt, die sich sowohl auf die Bewegungsabläufe des Rückens, des Beckens und der Gliedmaßen, als auch auf die senkrechte Bodenreaktionskraft auswirkt. Die Veränderungen der Bodenreaktionskraft zwischen dem Leichttraben auf der linken oder der rechten Diagonale waren zwar unterschiedlich, jedoch war die Abweichung letztendlich sehr gering.

Eine Schwäche beider Studien ist sicherlich, dass sie nur mit einer sehr geringen Anzahl an Pferden durchgeführt wurden. Immerhin ist es bemerkenswert, dass das Leichttraben zunehmend in den Fokus der Wissenschaft gerät. (Tina Löffler)

 

Beide Studien wurde unter den Originaltiteln „The effect of rising and sitting trot on back movements and head-neck position of the horse“ und „Kinetics and kinematics of he horse comparing left and right rising trot“ im Equine Veterinary Journal (2009) 41 veröffentlicht. Online sind sie unter den folgenden Links zu finden:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19642400

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19469238

 

Dieser Artikel ist eine Ergänzung zu unserem Heft „Fluch oder Segen? Vorwärts-Abwärts und Leichttraben“