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Ausbildung nach Plan: Die zweite Arbeitswoche

Von Sandra Will
Sie haben die erste Woche gut überstanden, Ihr Pferd auch, und Sie haben akribisch notiert, welche Fortschritte Sie gemacht haben? Gut, dann lesen Sie hier den Plan für die kommende Woche:

Tag Acht
Im abgesteckten Viereck oder auf einem übersichtlichen, ebenen Weg darf das Pferd im gemütlichen Schritt gehen. Die Konzentration des Reiters sollte sich nun auf die Bewegungen richten, die der Schritt des Pferdes im eigenen Körper auslöst. Was passiert denn eigentlich durch die Schrittbewegung des Pferdes: in den Beinen, in der Hüfte, in den Schultern, in den Armen und wo noch? Wer sich traut, kann die Augen schließen, aber unbedingt erforderlich ist das nicht. Zeit sollte keine Rolle bei diesem Hinfühlen spielen. Wem es geradeaus zu langweilig wird, kann bereits Schlangenlinien einbauen oder sich an Strecken versuchen, die bergauf oder bergab führen. Was verändert sich?
Worauf es ankommt:
Man sollte alles vergessen, was man vielleicht gelesen hat, wie es sich anfühlen sollte. Viel wichtiger ist, das Gefühlte gedanklich zu speichern – auch hier kann das Tagebuch hilfreich sein.

Tag Neun
Heute wird ein Helfer gebraucht! Am besten ist, wenn sich zwei Reiter gegenseitig kontrollieren können. Aufgabenstellung ist, im Schritt und Trab zu erfühlen, wann ein vorher vereinbartes Hinterbein nach vorn schwingt. Der Beobachter sagt dann, ob richtig gefühlt wurde. Dieses Spiel kann erst auf der Geraden, dann auf Bögen und Schlangenlinien gespielt werden.
Worauf es ankommt:
Auch hier kommt es darauf an, sich zu merken, was man fühlt, also wie man bewegt wird in dem Moment, wo das bestimmte Hinterbein des Pferdes vorschwingt. Warum das wichtig ist? Treibend einwirken kann man nur auf ein Hinterbein, das sich in der Luft befindet. Vor allem für jede Seitwärtsbewegung, aber auch zum Biegen, Vor- und Untertreiben der Hinterhand ist es unabdingbar, dass der Reiter fühlen kann, wann sich welches Hinterbein wo befindet. So trivial die Übung anfangs erscheinen mag, so zentral ist sie für die Reiterei.

Tag Zehn
Spiele mit dem Gleichgewicht im Sattel!
Auch dieses Programm kann sowohl im Gelände als auch in jeder Art von Bahn absolviert werden. Im Stand, Schritt, Trab oder Galopp – je nach eigenem Zutrauen, Sicherheit des Pferdes und eigener Beweglichkeit – kommt jetzt Bewegung in den Sattel.
Leichttraben mit Umsitzen, Leichttraben extravagant: Einmal einsitzen, zweimal stehenbleiben. Oder umgekehrt. Oder sogar dreimal stehenbleiben, einmal einsitzen – es gibt beliebig viele Variationen, die erstaunlich schwierig sein können.
Bügel drei Loch kürzer schnallen als gewöhnlich (auch im Dressursattel ist das möglich) und die Position des leichten Sitzes einnehmen.
Umdrehen im Sattel (nur den Oberkörper, keine „Mühle“ wie beim Voltigieren). Nehmen Sie die Arme zur Seite und drehen Sie den Oberkörper so weit nach rechts und links, dass die Arme parallel zur Länge des Pferdes sind. Dies sollte jedoch vorsichtig, nicht ruckartig geschehen.
Mit den Händen zu den Fußspitzen fassen. Gleichzeitig oder wechselweise zum gegenüberliegenden Fuß. Aber auch hier ist Vorsicht angesagt -manche Pferde erschrecken sich bei so viel ungewohnter Aktivität des Reiters.
Abheben des Oberschenkels aus der Hüfte heraus (einseitig, wechselweise), um ihn dann von hinten nach vorn wieder in den Sattel gleiten zu lassen.
Kreisen der Schultern: Gleichzeitig vorwärts, gleichzeitig rückwärts oder gegenläufig.
Worauf es ankommt:
Als zivilisationsgeschädigter Mensch steigt man meist zu steif in den Sattel. Die Übungen helfen, sich selbst zu lockern und wieder mehr Gespür für den eigenen Körper zu bekommen. Abgesehen davon ist es prima, um sich an einem kalten Novembertag im Sattel warm zu halten.

Tag Elf
Die Übungen zum Erfühlen der Bewegungen des Pferdes können nun auch in den Rückwärts- und Seitwärtsbewegungen fortgesetzt werden. Wer möchte, kann dies mit dem Trailpacours verbinden.
Worauf es ankommt:
Die Aufmerksamkeit für die Bewegung ist wichtiger, als die korrekte Ausführung irgendwelcher Übungen.

Tag Zwölf
Auch vom Boden aus gibt es Möglichkeiten, die Bewegungen des Pferdes zu erkunden. Wenn ein Platz zum Longieren zur Verfügung steht, bietet die Longe die beste Möglichkeit dafür. Ansonsten ist es auch möglich, das Pferd an einem längeren Strick auf mindestens drei Meter Abstand zu bringen, und es zu beobachten, während man daneben herläuft.
Wie bewegen sich die Vorderbeine des Pferdes, wie seine Hinterbeine?
Wie bewegen sich die Schultern, der Hals und der Kopf? Im Schritt anders als im Trab?
Wie bewegen sich die Hüften und die Kruppe mitsamt dem Schweif, wiederum in beiden Gangarten? Sollte ein Helfer zur Verfügung stehen, ist es hier besonders interessant, sich das Ganze auch einmal von vorn und hinten zu besehen.
Worauf es ankommt:
Jedes Pferd bewegt sich natürlich ein wenig anders. Es gilt jetzt, das Gesehene mit dem Gefühlten zu vereinbaren. Vielleicht hat man gefühlt, dass das Pferd einen immer ein bisschen auf die linke Seite setzt und sieht jetzt, dass es mit der Kruppe ein wenig nach rechts versetzt läuft. Das würde zusammenpassen. Wiederum leistet das Tagebuch eine wertvolle Hilfe zur Komplettierung der Bestandsaufnahme.

Tag 13
Heute ist ein Helfer mit einer Videokamera nötig! Doch, doch, mit etwas Hartnäckigkeit und Organisation ist es eigentlich immer möglich, jemanden dafür zu finden. Eine Videoaufnahme der eigenen Reiterei, möglichst in allen drei Gangarten, auf geraden und gebogenen Linien, sowie im Seitwärts und Rückwärts ist eine unschätzbare Hilfe.
Inneres Bild und Wirklichkeit stimmen allzu oft nicht überein – und zwar sowohl negativ als auch positiv. Wer jahrelang dachte, dass er gerade sitzt, kann plötzlich sehen, dass sich eine ziemlich laxe Haltung eingeschlichen hat. Und wer glaubte, ein fürchterliches Bild im Sattel abzugeben, kann vielleicht sehen, dass das alles gar nicht so schlecht aussieht, wodurch sich manche Korrektur am Pferd erübrigt.

Tag 14
Das Abtasten des Pferdes.
Dies kann man auch ganz zu Anfang der Gefühlsschulung machen. Und im übrigen ist es durchaus hilfreich, dies regelmäßig und immer wieder zu tun.
Statt das Pferd einfach routinemäßig zu putzen, sollte diesmal die gesamte Aufmerksamkeit auf dem liegen, was man mit den Händen ertasten kann. Beginnend mit Stellen, die das Pferd problemlos oder sogar gern berühren lässt, erkundet man nun Muskeln, Haarwirbel, Knochen, Gelenke und Gliedmaßen des Pferdes.
Worauf es ankommt:
Dieses Abtasten gibt wichtige Informationen über die Verfassung des Pferdes. Ist die Bemuskelung rechts und links gleichmäßig? Wo sind überhaupt fühlbare Muskeln? Wo ist das Pferd empfindlich, kitzelig oder zeigt es gar Schmerzen? Vor allem im Bereich der Sattellage ist dies wichtig zu wissen. Aber auch bevorzugte Kratz- und Kraulstellen können entdeckt und später für Belohnungen genutzt werden. Und wo jetzt noch keine Muskeln sind, lassen sich vielleicht in vier Wochen welche ertasten, was wiederum Rückschlüsse auf das Training zulassen würde.