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Alles was Recht ist: Urteil gegen Rollkur und Co – erst einmal ohne Folgen

Zu einer Geldstrafe in Höhe von 27.000,- Euro wurde kürzlich eine 44-jährige Bayerin verurteilt. Die Pferdebesitzerin hatte ihren Vierbeinern so gut wie keinen Koppel- oder Paddockgang ermöglicht. Zudem hat sie nach Ansicht des Gerichts ihre Dressurpferde mit Rollkur-Hyperflexion trainiert und auch damit gegen das Tierschutzgesetz verstoßen.

Ließ das Urteil die Gegner von Rollkur und der 23-Stunden-Boxenhaltung anfangs jubeln, folgte sofort die Ernüchterung. Denn das Urteil des Amtsgerichts Starnberg ist nicht rechtskräftig. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagte gingen in die Berufung. Nun wird der Sachverhalt beim Landgericht München II erneut geprüft.
Doch der Reihe nach: Drei Dressurpferde besitzt die 44-jährige Hausfrau. Alle drei kamen in der Regel nur einmal am Tag zum etwa einstündigen Reiten aus ihrer Box heraus. Obwohl die Besitzerin die Möglichkeit gehabt hätte, lehnte sie jeden Freilauf ihrer Pferde ab – und das mindestens über einen Zeitraum von drei Jahren. Zu groß sei ihre Angst, dass sich ihre Pferde verletzen könnten, begründete sie ihr Verhalten vor Gericht. Diese dauerhafte Einzelboxenhaltung ohne Möglichkeit zum Freilauf und Sozialkontakt sei aber ganz und gar nicht artgerecht und verstoße damit gegen das Tierschutzgesetz, argumentierte die Richterin.
Das Reiten war für die Pferde offenbar auch alles andere als erholsam: Fast ständig habe die Angeklagte die Rollkur-Hyperflexion angewendet, heißt es in der Urteilsbegründung. Tierärzte hatten die Pferde begutachtet und festgestellt, dass durch dieses Training bei allen drei Tieren schmerzhafte Muskelverspannungen im Nacken-, Hals- und Rückenbereich die Folge waren. Bei zweien diagnostizierten sie zudem, dass die Genickschleimbeutel vergrößert und entzündet waren. Doch nicht nur die körperlichen Folgen der Rollkur-Hyperflexion monierte die Richterin. Durch das Einrollen sei das Sichtfeld der Pferde stark eingegrenzt, dadurch werde gerade ein Fluchttier verunsichert. Auch sei durch eine solch extreme Kopf-Hals-Position das Atmen behindert. Die Angeklagte bestritt, dass sie Hyperflexion mit ihren Pferden betreiben würde. Zeugenaussagen und Videoaufnahmen belegten aber aus Sicht des Gerichts das Gegenteil.
Und noch ein weiterer Punkt ihrer Reitweise führte zum Urteil: Die Hausfrau ritt mit Sporen – das alleine wurde zwar nicht bemängelt, wohl aber die Art und Weise, wie die Reiterin damit umging. Die Angeklagte rammte den Pferden förmlich die Sporen in den Bauch: Zwei ihrer Tiere hatten über einen längeren Zeitraum deshalb immer wieder offene Wunden, stellte das Gericht fest. Dies mache sie immer so, entgegnete die Angeklagte, weil sie dies „so gelernt habe“. Als Zeuge wurde auch ein Tierarzt der Angeklagten vernommen. Der allerdings wollte seine Kundin wohl offenbar nicht belasten und verstieg sich sogar zu der Aussage, dass solche Wunden für ein Pferd nicht schmerzhaft seien: „Bluten tue nicht weh“, behauptete er. Die Richterin hingegen verwies darauf, dass alle hochentwickelten Säugetiere ein Schmerzempfinden haben – Pferde also auch. Und in der Urteilsbegründung wird nüchtern festgestellt, warum sich der Tierarzt wohl zu solchen Aussagen hinreißen lässt: „(…), dass der Zeuge wohl um seine Auftragslage in Pferdehalterkreisen fürchtet, wenn er gegen eine Reiterin aussagt.“
180 Tagessätze zu je 150,- Euro, also insgesamt 27.000,- Euro Geldstrafe, sollte die Verurteilte zahlen, weil sie gegen das Tierschutzgesetz verstoßen habe. Die Reiterin mit ihrem Anwalt Dietrich Plewa kündigte Berufung an. Und auch die Staatsanwaltschaft will in die Berufung gehen, denn ihr ging das Urteil nicht weit genug: Sie hatte ein Tierhaltungsverbot für vier Jahre gefordert. Beim Landgericht München II wird der Fall nun komplett neu aufgerollt. Einige Stallkollegen hatten das Verhalten der Frau gegenüber ihren drei Pferden angezeigt – nur deshalb geriet das Verfahren überhaupt in Gang.

 

Welche Folgen das Urteil tatsächlich haben könnte, darüber sprach Claudia Sanders mit Sibylle Fey. Sie ist die Direktorin des Amtsgerichts Starnberg, welches das Urteil gefällt hat.

Frau Fey, kurz nachdem das Urteil bekannt wurde, hieß es in der Presse, dass dies ein „folgenreiches Urteil“ sei. Wie bewerten Sie das?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich eben nicht um ein „Grundsatzurteil“ zur Pferdehaltung handelt, sondern einzig und allein darüber entschieden wurde, ob sich die konkrete Pferdehalterin in einer Weise verhalten hat, die den strafrechtlichen Tatbestand eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz verwirklicht. Eine Aussage, dass dieses oder jenes Verhalten grundsätzlich tierschutzwidrig sei, wird gerade nicht getroffen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass diese Entscheidung nicht rechtskräftig ist, da sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch die Verurteilte dagegen Berufung eingelegt haben.

Welche „Signalwirkung“ hat denn überhaupt ein Amtsgerichtsurteil in einer Strafrechtssache?
Die Frage kann in dieser Allgemeinheit nicht beantwortet werden. Angesichts des Echos in den einschlägigen Medien muss man aber davon ausgehen, dass jedenfalls diese Amtsgerichtsentscheidung durchaus Signalwirkung in der Weise haben wird, dass so mancher Pferdehalter Anlass haben könnte, über sein eigenes Verhalten nachzudenken.

Angenommen das Landgericht verurteilt die Pferdebesitzerin ebenfalls – welche Wirkung hat das?
Das dürfte die Signalwirkung im genannten Sinne verstärken. Übrigens bestünde auch noch die Möglichkeit der Überprüfung in einer dritten (Revisions-) Instanz.
Der Verteidiger der Angeklagten, Dietrich Plewa, prognostizierte ja schon, dass dieses Urteil – sollte es Bestand haben – weitreichende Folgen hätte. Da die Mehrheit der Pferdebetriebe nicht genug Fläche hätte, um den Pferden Auslauf zu bieten, wäre das Pferd als Freizeitpartner in Deutschland erledigt. Wie bewerten Sie das?
Diese Aussage halte ich in der Form nicht für richtig, da der fehlende Auslauf im konkreten Fall nur einen Teil des Problems darstellte.
Frau Fey, vielen Dank für das Gespräch.