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Standpunkt: Die Initiative R-Haltenswert und ihr Kampf gegen einen Reitsport auf dem Tiefpunkt

Die Initiative R-Haltenswert und ihr Kampf gegen einen Reitsport auf dem Tiefpunkt

Wer jemals gewagt hat, Topreiter zu kritisieren, kennt die ewige Gegenrede vom „unqualifizierten Kritiker“. Und wenn ausgewiesene Fachleute Kritik anbringen? Interessiert das auch nicht. Das ist eine Erfahrung, die die Initiative R-Haltenswert gerade machen durfte.

Die Initiative R-Haltenswert wurde von der Unternehmerin Viktoria Auracher gegründet. Zusammen mit dem Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzenden des Zuchtverbandes für Deutsche Pferde, André Hascher, hat sie ein klares Ziel vor Augen: den Sport wieder pferdegerecht und fair werden zu lassen. In einem ersten Versuch war R-Haltenswert mit einem „Equine Quality Control“-Team (EQC) bei den FEI World Cup Finals in Basel zu Gast. Dank dem engagierten Milliardär und Turnierveranstalter Thomas Straumann bekamen André Hascher und drei gestandene Pferdewirtschaftsmeister Zugang zum Turniergelände. Solange die Abreite- und Vorbereitungsplätze geöffnet waren, waren auch die Männer vor Ort.

Jetzt haben sie einen 35-seitigen Abschlussbericht vorgelegt, der ernüchternder kaum sein könnte. Überspitzt formuliert lässt sich wohl sagen, dass es für die EQC einfacher gewesen wäre, diejenigen Reiter zu erwähnen, die so ritten, dass es pferdefreundlich war.

Für die Disziplin Dressur wird notiert: „Sperrende Unterkiefer und sichtbar stark gedrückte Zungen verleihen den sehr dynamischen und athletischen Bewegungen den schalen Beigeschmack der Überforderung und teils unschönen Behandlung der Pferde.“ Und weiter heißt es: „Nach unserem Dafürhalten wurde sowohl auf die Thematik der unkorrekt verschnallten Zäumungen als auch auf die vielfach zu eng eingestellte Kopf-Hals-Haltung seitens der Stewards deutlich zu wenig geachtet bzw. Einfluss genommen. Dies betrifft auch sichtbar verfärbte Zungen einiger Pferde.“

Sichtbar verfärbte Zungen? Ja, damit hätte ja niemand rechnen können! Sind diese also nicht nur Fakes von Fotografen? Was für eine Überraschung. Sorry für den Sarkasmus.

Doch blicken wir noch einmal in den Abschlussbericht, der – Sie erinnern sich – Prüfungen und Reiter auf Weltklasseniveau beschreibt: „Hinzu kam, dass die Kandare in vielen Fällen nicht korrekt verschnallt war.“ Ernsthaft jetzt? Wir sind bei den World Cup Finals der FEI und weder Reiter, Stewards noch Richter erkennen und ändern das?

In einem Fall, wo das Reithalfter deutlich zu eng verschnallt war und das Pferd geblähte Nüstern hatte, um genügend Luft zu bekommen, lautete die Rechtfertigung, dass „die Korrektheit über die Maßgabe des Herstellerentwurfs“ gegeben sei.

Bei einem Voltigierpferd wurde von R-Haltenswert angemerkt, dass das Pferd taktunklar liefe. Reaktion: Das Pferd wurde einem FEI-Tierarzt vorgeführt, der feststellte, dass diese „Unklarheit“ nur auf der linken Hand auftrete, die Prüfung jedoch auf der rechten Hand stattfinde. Das Pferd dürfe demnach am Wettbewerb teilnehmen.

Im Bericht ist dazu vermerkt: „In diesem Meeting wurde uns im weiteren Verlauf unter Androhung des Ausschlusses von den Vorbereitungsplätzen das Misstrauen ausgesprochen, da wir zu kritisch seien und die FEI-Abläufe indirekt in Frage stellen würden.“

Und hier sind nur einige Punkte aus dem 35-seitigen Bericht genannt. Es fällt schwer, jetzt noch so zu kommentieren, dass es ohne Schimpfwörter auskommt.

Die Reiterverbände, allen voran die FEI, interessieren sich offenbar nur auf dem Papier für den „Happy Athlete“. In Wirklichkeit kümmern sie sich meiner Meinung nach einen Dreck darum, und sie vertuschen, überspielen und vor allen Dingen ignorieren sie selbst fachlich angemessene Kritik.

Kann man machen. Ist dann aber scheiße. Für die Pferde. Für den Sport.
Und da es jetzt doch noch ein Schimpfwort in den Kommentar geschafft hat, höre ich mal lieber auf. Nur eine Anmerkung noch: Liebe FEI und Co.: R-Haltenswert ist eine Chance und kein Angriff. Nutzt die Chance, statt es schon wieder einmal zu vergeigen. (cls)

Der Abschlussbericht von R-Haltenswert kann hier nachgelesen werden.