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Historie: Von Rücken- und Schenkelgängern

Dieser Artikel ist eine kleine Leseprobe aus unserem Heft: „Fühlen und erkennen: Über den Rücken reiten“, das als E-Paper erhältlich ist.titel_314_lr

„Schenkelgänger“, das hört sich noch so nett und harmlos an. Doch für die Reitmeister vergangener Jahrhunderte war das nichts anderes als ein Schimpfwort für Pferde, die beim Reiten nicht über den Rücken gingen.

Die Einführung der Begriffe „Rückengänger“ und „Schenkelgänger“ wird Bernhard Hugo von Holleufer zugeschrieben, der im Jahr 1896 in zweiter Auflage das Buch „Die Bearbeitung des Reit- und Kutschpferdes zwischen den Pilaren“ veröffentlichte. Bernhard Hugo von Holleufer war Königlicher Stallmeister zu Hannover.

Er schrieb über die Rücken- und Schenkelgänger: „Die letzteren (Schenkelgänger, Anm. d. Redaktion) verrichten die Bewegungen ohne Mitgebrauch der Wirbelsäule, die Bewegungen sind hart oder gespannt, nicht raumgreifend, entweder übereilt oder träge, sie richten ihre Beine und die Reiter zugrunde, sie stehen entweder hinter dem Zügel oder liegen tot auf demselben und sind nicht zuverlässig im Gehorsam.“

Ganz anders sei hingegen der Rückengänger, schreibt Bernhard Hugo von Holleufer: „Die Rückengänger bedienen sich dagegen bei allen Bewegungen der Schwingungen nach vorn und nach unten: je kräftiger und spielender diese sind, je aktiver und raumgreifender, je weicher und elastischer, frischer und entschlossener sind die Bewegungen, die Pferd und Reiter gesund erhalten und das Erstere dem Letzteren in vollkommenem Gehorsam in die Hand spielen.“

Der Zweck der Pferdeausbildung war damit für von Holleufer ganz klar und eindeutig definiert, wie er schrieb: „Das ganze und einzige Ziel der sogenannten alten Reitkunst war und besteht noch: die geborenen Rückengänger zu konservieren, mäßige vermehrt auszubilden und reine Schenkelgänger zu Rückengängern umzuwandeln, denn sämtliche Lektionen und die sogenannten Hohen Schulen bezwecken nichts anderes, als das Pferd schwunghaft zu machen. Im Schwung aber liegt die Elastizität, und in der letzteren beruht die Schnelligkeit (Schnellkraft) und die Gewandtheit. Wenn es übrigens die Natur nicht für gut befunden hätte, dass die Wirbelsäule beweglich sein sollte, so würde sie dieselbe wohl nicht mit so vielen Gelenken ausgestattet haben.“

 

Wobei der letzte Satz wohl gerade an die Reiter gerichtet worden war, die „Schenkelgänger“ ritten. Diese Einteilung zwischen Rücken- und Schenkelgänger hat sich bis heute erhalten. Wobei mit dem Rückengänger immer das positiv über den Rücken gehende Pferd gemeint ist. Der Schenkelgänger dagegen ist derjenige Vierbeiner, der zwar exaltierte Spanntritte zeigt, aber nicht durch den ganzen Körper schwingt. (cls)

Lesetipps:

Bernhard Hugo von Holleufer: „Die Bearbeitung des Reit- und Kutschpferdes zwischen den Pilaren“, Nachdruck, Olms, 2000, (nur noch antiquarisch erhältlich)

Bertold Schirg: „Die Reitkunst im Spiegel ihrer Meister“, Band 1, Olms, 2011

 

Dieser Artikel ist eine kleine Leseprobe aus unserem Heft: „Fühlen und erkennen: Über den Rücken reiten“