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Keine Haftung aus „Tiergefahr“ bei Reiterfehler

Eigentlich ist der Grundsatz klar (§ 833 Abs. 1 BGB): Wer ein Tier besitzt, haftet für das, was durch das Tier passiert und zwar unabhängig davon, ob der Besitzer oder Halter mitverantwortlich für das Verhalten seines Vierbeiners ist. Beispiel: Die Reitbeteiligung fällt vom scheuenden Pferd und muss ins Krankenhaus. Später wendet sich die Krankenkasse an den Tierhalter und möchte von ihm die entstanden Kosten ersetzt bekommen.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat jetzt ein Urteil gefällt, das zeigt: Machen Reiter Fehler, können sie sich nicht darauf verlassen, dass der Pferdebesitzer zahlen muss.

Hier die Pressemitteilung im Wortlaut:

„Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat mit Urteil vom 19. Oktober 2021 die Schmerzensgeldklage einer Frau aus Nordhorn gegen den Eigentümer eines Reitpferdes zurückgewiesen.

Die Reiterin hatte am Unfalltag erstmals das Pferd „Ronald“ des Beklagten geritten. Das Pferd war an diesem Tag nervös. Die nicht sehr reiterfahrene Klägerin war kurz vor dem Unfall bereits einmal mit dem Fuß aus dem Steigbügel gerutscht und hatte deswegen absteigen müssen. Sie stieg dann wieder auf. Das Pferd wechselte vom Trab in den Galopp; die Klägerin kam zu Fall und prallte mit dem Kopf gegen einen Holzpfosten. Sie war zunächst bewusstlos und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma.

Die Klägerin hat behauptet, „Ronald“ sei auf einmal durchgegangen. Der Beklagte hafte als Eigentümer des Pferdes für die sogenannte „Tiergefahr“. Der Beklagte gab an, die Klägerin habe dem Tier durch Anpressen der Beine den Befehl zum Galopp gegeben. Das Tier habe nur gehorcht. Der Unfall beruhe daher nicht auf der Tiergefahr, sondern auf einem Reitfehler. Eine Zeugin berichtete, die Klägerin habe unsicher gewirkt, die Chemie zwischen ihr und dem Pferd habe nicht gestimmt. Das Tier sei normal und sanft in den Galopp übergegangen.

Der Senat konnte nicht feststellen, dass sich eine Tiergefahr verwirklicht habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es auch möglich, dass die Klägerin aus Unsicherheit die Beine angepresst und damit dem Pferd den Befehl zum Galopp gegeben habe, ohne dies eigentlich zu wollen.

Die Klägerin erhält daher kein weiteres Schmerzensgeld. Die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beklagten hatte ihr bereits freiwillig ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro gezahlt.

Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 19.10.2021, Az. 2 U 106/21.“