Sollten wir an dieser Stelle ein Buch empfehlen, das sich explizit an Reiter wendet, die kein Geld für regelmäßigen Unterricht haben, aber dennoch ein junges Pferd besitzen? Und das, obwohl wir doch immer wieder predigen, dass die Ausbildung eines jungen Pferdes nur unter Anleitung gelingen kann? Ja, denn die Realität sieht eben anders aus: Tatsächlich kaufen sich eine ganze Reihe von Reitern ein junges Pferd, weil sie sich ein ausgebildetes nicht leisten können. Das muss niemand gut finden, aber es lässt sich auch nicht wegdiskutieren.
Solche Gedanken waren es, die die über 80-jährige Gudrun Schultz-Mehl dazu angetrieben haben, ihr Buch „Junge Pferde selbständig nach der Klassischen Reitlehre ausbilden – Ein Leitfaden für junge und unerfahrene Reiter“ zu schreiben. So schreibt sie im Vorwort: „Muss der Reiter nicht alles tun, um seinem Freizeitkameraden gerecht zu werden und ihn vor körperlichen und psychischen Schäden bewahren? Doch, das muss er, nichts kann ihn freisprechen von der Verantwortung gegenüber seinem Pferd.“ Und dazu gehöre eben auch die Pflicht des Reiters, sich den Umständen entsprechend weiterzubilden. Gudrun Schultz-Mehl blickt auf fast acht Jahrzehnte Pferdeerfahrung zurück, die sie gut und flüssig geschrieben in dem fast 450 Seiten starken Buch vermittelt. Dabei doziert sie nicht mit erhobenen Zeigefinger, sondern berichtet auch immer wieder aus ihrem Reiterleben – die Anekdoten machen das Buch noch schöner zu lesen. In kleinen, jedoch ausführlich beschriebenen Schritten stellt sie dar, wie ein Pferd von der Wiese bis zur Klasse L mit viel Geduld und Liebe ausgebildet werden kann. Dabei geht sie auch auf diejenigen Reiter ein, die keine Halle zur Verfügung haben. Inhaltlich orientiert sie sich an der klassischen deutschen Reitweise, stammt sie selbst doch aus einem Offiziershaushalt, schon ihr Vater ritt Pferde beim Militär. Der Leser erhält mit diesem Buch nicht nur wichtige Tipps und Anleitungen für die Ausbildung seines jungen Pferdes, sondern erfährt auf unterhaltsame Weise auch noch einiges über die deutsche „Pferdegeschichte“ des vergangenen Jahrhunderts. Das Buch ist absolut lesenswert und zwar für Reiter jeder Reitweise, denn, so schreibt Gudrun Schultz-Mehl, „grundsätzlich physikalische Gesetzmäßigkeiten des Reitens bleiben aber bestehen, solange das Pferd vier Beine hat“.
Gudrun Schultz-Mehl: „Junge Pferde selbständig nach der klassischen Reitlehre ausbilden“, Olms, 2010, 34,80 Euro