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Ende Gelände: Wer braucht den Turnier-Reitsport noch?

Sich in diesen Tagen mit dem Reitsport zu beschäftigen ist eine Qual. In erste Linie für die Pferde. Doch auch für die beteiligten Menschen, die ihre Pferde freundlich und gesund ausbilden wollen. Wer nicht das Empathie-Empfinden eines Steines hat, ist hin- und hergerissen zwischen, Wut, Verzweiflung, und Enttäuschung. Mein eigentlich passiver Schimpfwortvorrat wird täglicher aktiver. Dazu kommt das Gefühl, einige der Beteiligten schütteln zu möchten und zu fragen: „Ja, merkt ihr denn gar nichts mehr?“

Im vergangenen Jahr kamen die tierquälerischen Ausbildungsmethoden des dänischen Dressurreiters und Firmenmoguls Andreas Helgstrand durch eine TV-Reportage ans Licht.

Die Bilder aus dem Stall Helgstrand zeigten ein brutales Ausbilden, ohne jedes Mitgefühl und Verständnis für das Pferd.

Andreas Helgstrand wurde gesperrt, darf jetzt ein paar Jährchen keine Turniere reiten und keinen Nachwuchs ausbilden. Aber, wen kümmert das schon, wenn Helgstrand bis in die USA hinein „Ausbildungszentren“ betreibt?

In Florida veranstaltete er kürzlich eine Masterclass mit prominenten Referenten, darunter Isabell Werth. Ist das wirklich nötig, sich lächelnd Seite an Seite mit einem Tierquäler zu zeigen, der gegen die ethischen Grundsätze so eklatant verstoßen hat? Nein! Es ist ein weiter Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich gegen die Front stemmen, dass Pferdesport doch bitte verboten gehört.

Als wäre das nicht alles schon gruselig genug, schwappten zum Wochenende weitere Nachrichten über den „großen Teich“. Cesar Parra, seines Zeichens hochdekorierter Dressurreiter, war in der Szene noch nie als „Pferdeflüsterer“ bekannt. Vor gut zehn Jahren musste er sich schon einmal einer Anzeige wegen tierschutzwidrigen Verhaltens stellen. Die wurde damals eingestellt. Das könnte heute anders sein. Fotos und Videos, wie er Pferde malträtiert, mit der Gerte auf den Kopf schlägt, offene Sporenwunden, Beinlongen mit dem Gebiss verbunden – damit die Tierchen auch ordentlich die Beine heben- kurzum: Ein Sammelsurium an unfassbaren Grausamkeiten ist jetzt aufgetaucht. Das Beweismaterial ist so vernichtend und eindeutig, dass selbst der behäbige Weltreitsportverband FEI handeln musste: Cesar Parra wurde vorläufig gesperrt, er darf keine Turniere mehr starten – bis die Vorfälle aufgeklärt sind.

Ein „Beifang“ zum Fall Parra ist die vermutliche Beteiligung deutscher Inhaber eines bekannten norddeutschen Dressurstalles. Während Parra ein Pferd zur Passage prügelt, hält ein Mann die Longe, damit das Pferd – obwohl schon ohnehin verschnürt  –   nicht fliehen kann. Im Hintergrund eine Frauenstimme, die „Amazing“ sagt. Amazing?! Nichts könnte bessern zeigen, wie hier Menschen völlig jedes Augenmaß verloren haben und bereit sind, die Pferde jeden Preis zahlen zu lassen – nur um den Erfolg Willen.

In dem Fall bewegt sich auch die FN. Es solle Strafanzeige erstattet werden – ohne das jetzt zu vertiefen: Aber einen Vorfall in den USA hier anzuzeigen, kann man machen, verspricht aber nicht allzu viel Wirkung – doch da lasse ich mich ja gern eines Besseren belehren. Auch verbandsintern solle geprüft werden, ob Verfahren eingeleitet werden können. Also, abwarten.

Ich bin dieser ganzen zahnlosen Ankündigungen so müde – auch wenn sie nicht falsch sind.

Hier ein paar weitere Alternativen:

Sofortiges Prüfen, ob diese Herrschaften ausgeschlossen werden können – auch wenn sie viel Geld in die Verbandskassen spülen. Das gilt auch für die Zuchtverbände.

Die Richtervereinigung besinnt sich auf korrektes Richten, sodass die Pferde gesund im Sport bleiben können.

Es ist Zeit für die beteiligten Verbandsfunktionäre und Richter Rückgrat zu zeigen. Ohne wird die Luft jetzt nämlich ziemlich dünn. Und dann könnte das Jahr 2024 als das Letzte eingehen, bei dem der Reitsport bei den Olympischen Spielen vertreten war. Wenn sich verdammt noch mal nix ändert, dann kann ich im Sinne der Pferde nur sagen: Zu Recht!

Eine Anfrage von uns an die Betreiber des norddeutschen Dressurstalls blieb bisher unbeantwortet.

Mittlerweile (Stand 08.02.2024) hat der Zuchtverband für deutsche Pferde ein Ausschlussverfahren gegen die beiden Betreiber des norddeutschen Dressurstalles beantragt. Dem folgt auch das Westfälische Pferdestammbuch. Auch der Hannoveraner-Verband hat das Thema auf seine Tagesordnung gesetzt.

Quellen:

Bericht von Eurodressage zur Helgstrand Masterclass mit Isabell Werth:

Isabell Werth Masterclass at Helgstrand USA: „As Much as Necessary, As Less as Possible“ (eurodressage.com)

Sammlung von erschütternden Cesar Parra Videos (Facebook): Facebook

Video mit Cesar Parra im Prügelmodus mit vermeintlich deutscher Beteiligung (Facebook): (2) Video | Facebook

  1. Pressemittelung der FN vom 03.02.
  2. FN „zieht alle Register“, Pressemitteilung vom 08.02.

08.02.24: Stellungnahme Hannoveraner und Oldenburger Zuchtverbände: Nach Anhörung der Betroffenen „veränderte Erkenntnislage.“

09.02.24: PSV Hannover positioniert sich doch noch eindeutig

09.02.24: FBI ermittelte gegen Parra wegen Vorwurf des Menschenhandels

Eine Anfrage von uns an die Betreiber des norddeutschen Dressurstalls blieb bisher unbeantwortet.

15.02.24: Mathias Alexander Rath bei den VR Classics in Münster: Reiten in schauerlichster Rollkur-Manier. (Facebook-Real)