Als Mr. P. vor zwölf Jahren beschloss, dass ich eine geeignete Bedieneinheit (BE) sei, war ich in den Augen meines Pferdes noch sehr unerzogen. Direkt einen Tag nach seiner Ankunft beäugte ich seinen dreckigen Schweif, griff beherzt zu Wassereimer und Shampoo und machte aus dem verdreckten Anhängsel wieder einen ansehnlichen Schweif. Mr. P. ertrug das, ohne auch nur mit der Wimper oder irgendeinem Muskel zu zucken, Toll, dachte ich.
Heute, zwölf Jahre später, weiß ich: Das war nur eine perfekte Tarnung, um mich in Sicherheit zu wiegen. Orgulloso stammt aus Spanien, aus der Gegend von Cadiz, und dort ist es: sehr trocken, sehr heiß und es gibt nur wenig Regen. Obwohl Mr. P. sich längst in Deutschland eingelebt hat, legt er immer noch Verhaltensweisen an den Tag, die er schon in Spanien gepflegt hat: Wasser von oben ist unzumutbar! Sobald erste Regentropfen das Fell des Señor benetzen, steht er am Tor und verlangt Einlass in die trockene Box. Das Abspritzen nach getaner Arbeit lässt er nur widerwillig über sich ergehen und empfindet es nicht als Erfrischung, sondern als persönliche Zumutung!
Das Schweifwaschen jedenfalls mutierte im Laufe der Jahre zu einer immer größeren Herausforderung. Entweder Mr. P. zappelt und schlägt den nassen Schweif so lange hin und her, bis ich garantiert von oben bis unten nass bin, oder er kneift die Schweifrübe so sehr ein und lässt die Ohren hängen, dass wildfremde Menschen ihn voller Mitleid retten wollen. Während ich zunehmend meine Nerven verliere.
Da kann mich nach langer Zeit auch nicht mehr aufmuntern, dass das Waschen der Schweifrübe ein exzellentes Hankentraining ist: Sobald ein Tropfen Wasser seine Rübe benetzt, setzt Mr. P. sich förmlich auf seine Hinterhand.
Eigentlich hätte es ja kaum schlimmer kommen können – bis zu dem Tag, an dem ich die ungeliebte Prozedur erneut durchführte und Mr. P. ein Sicherheitshalfter trug. Eines von der Sorte, das so schön elastisch ist, dass sich das Pferd im Fall von – ich zitiere hier den Hersteller – „Panik selber befreien kann“. Leider sind dem Hersteller offenbar Pferde mit eingebauter „PP“ unbekannt: der prognostizierten Paniksituation. So eine „prognostizierte Paniksituation“ ist dadurch gekennzeichnet, dass das Pferd eben nicht in Panik ist, sondern prognostiziert, ob es in Panik geraten könnte: Potenziell stressbeladene Situationen wie „Was, wenn der hier vor meiner Nase gelagerte Heuballen ungefressen weggezaubert wird?“ oder „Das wird hier beim Schmied doch nicht wieder an den Hufen kitzeln?“. Oder eben: „Och nö, nicht wieder Schweifwaschen. Ich gehe!“ Dann lehnt sich Mr. P. in aller Seelenruhe zurück, windet zuerst die Ohren und dann den Rest seines Dickkopfes fachmännisch aus dem Halfter und geht seiner Wege. Zu behaupten, dass mich sein Verhalten an den Rande eines Nervenzusammenbruchs treiben könnte, ist zweifellos eine dezente Untertreibung.
Doch eines Tages kam mir die rettende Idee. Schließlich gibt es hier ja auch echte, feste Halfter. Um meinen nun folgenden Triumph ganz auskosten zu können, bat ich den weltbesten aller Göttergatten (GG) als Zeugen zu diesem Schauspiel. Halfter anlegen, Schweif beherzt in den Wassereimer tunken – das waren nur zwei kurze, lässige Bewegungen von mir. Die eine ebenso schnelle, lässige Reaktion zur Folge hatten: Mit den Zähnen lockerte Mr.P. den Sicherheitsknoten, reckte den Schweif triumphierend in die Höhe und trabte davon! Ich griff nach Mr. P., stolperte und landete im Dreck. „Das sollte man aber nicht mit jedem Pferd machen, oder?“, fragte der GG. „Was meinst du?“, fragte ich mit jenem Unterton in der Stimme zurück, der kluge GG zwei Meter zurückweichen und Mr. P. vertrauensvoll den Kopf auf die Schulter des GG legen lässt. „Du hast ihn am Schweif festgehalten“, sagte der GG. „Habe ich nicht!“ „Hast du wohl“, brummelte Mr. P. und stupste den GG sanft an: „Siehst du, sie ist psychisch total instabil, leicht reizbar und zeigt große Erinnerungslücken! Würdest du so jemanden an deine Haare lassen?“ Nein, ich wollte die Antwort nicht hören. Um meine Ehe nicht zu gefährden. Also stand ich auf und ging. Mr. P. ist ja auch erst 14 Jahre jung, da kann er nix für. Das wird schon noch … (cls) Und natürlich ist Mr. P. auch auf Facebook… 🙂
Diese Glosse erschien in unserem Heft 4/2014 „Schulterherein“.