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Damit das Blut in Wallung kommt: Der Herz- und Blutkreislauf beim Pferd

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus dem „Wissensheft: Blutbilder lesen“.

Blut ist lebenswichtig. Doch seine wichtigen Aufgaben kann es nur erfüllen, wenn
es dorthin gelangt, wo es benötigt wird. Dafür braucht es einen „Antrieb“ und ein
ausgeklügeltes Transportsystem: das Herz und den Blutkreislauf.
Das Pferdeherz versorgt alle Organe des Körpers mit Blut und damit mit Sauerstoff. Was
sich einfach anhört, ist in Wirklichkeit ein sehr komplexer Vorgang. Das Herz stellt in ihm
die Verbindung zwischen zwei Kreisläufen dar, in denen das Blut durch den Körper gepumpt
wird.

Das Herz – ein Muskel der besonderen Art
Dr. Julia Engels, Fachtierärztin für Innere Medizin der Pferde aus dem bayerischen Glonn,
beschreibt zunächst den groben Aufbau dieses wichtigen Organs: „Das Herz ist ein muskulöses
Hohlorgan. Es gliedert sich in zwei Herzkammern und zwei Vorhöfe. Herzkammer
und Vorhof einer Seite sind jeweils durch eine Scheidewand voneinander getrennt.“
In der linken Herzkammer befinden sich zwei, in der rechten drei Erhebungen der Kammermuskulatur,
die sogenannten Papillarmuskeln. Von ihnen aus ziehen Sehnenhaltefäden
zu den AV-Klappen, den Herzklappen, die sich zwischen dem Vorhof und der Herzkammer
befinden. „Auf der rechten Herzseite wird diese Klappe als Trikuspidalklappe,
auf der linken als Mitralklappe bezeichnet. Die Herzklappen dienen als Ventile. Sie sorgen
dafür, dass das Blut nur in eine Richtung fließen kann, indem sie den Rückfluss verhindern“,
erklärt Julia Engels. Aus der rechten Herzkammer wird das Blut durch die Arterie
Truncus pulmonalis hinausgeführt, vor der sich eine weitere Herzklappe, die Pulmonalklappe,
befindet. Aus der linken Herzkammer strömt das Blut durch die Hauptschlagader,
die Aorta. Um in die Aorta zu gelangen, muss das Blut die Aortenklappe passieren.
Die Herzwand ist in drei Schichten aufgebaut: Das Endocardium ist die innere Schicht,
die auch die Herzklappen bedeckt. Das Epicardium überzieht als dünne Schicht die äußere
Seite der Herzwand. In der Mitte befindet sich die Herzmuskulatur, das Myocardium,
bei dem es sich um eine Sonderform der quergestreiften Muskulatur handelt.

Der Weg des Blutes durch Herz und Körper: Der Lungenkreislauf
Durch die Venen wird sauerstoffarmes (venöses) Blut zum Herzen transportiert. Durch
zwei Hohlvenen tritt es in den rechten Vorhof und anschließend in die rechte Herzkammer
ein. Von dort aus wird es durch den Truncus pulmonalis und die Lungenarterie in
Richtung Lunge transportiert. „Hier findet der Übertritt von Sauerstoff ins Blut statt. Umgekehrt
wird gleichzeitig Kohlendioxid vom Blut in die Lunge abgegeben und wieder
ausgeatmet. Dieser Austausch findet in den Alveolen, also den Lungenbläschen, der
kleinsten Untereinheit der Lunge, statt. Der Sauerstoff wird an Eisenmoleküle der roten
Blutkörperchen gebunden und gelangt mit dem Blutstrom zu den Organen“, führt Julia
Engels aus. Das nun mit Sauerstoff angereicherte Blut gelangt über die Lungenvenen zurück
zum Herzen, wo es in den linken Vorhof und weiter in die linke Herzkammer strömt.
Dieser Lungenkreislauf sorgt als Teil des Blutkreislaufs ausschließlich für den Blutstrom
zwischen Herz und Lunge.

Der Körperkreislauf
Der Körperkreislauf sorgt dafür, dass alle Organe mit arteriellem, das heißt sauerstoffreichem
Blut versorgt werden. Es wird dazu durch ein Netz aus Arterien gepumpt, das
sich, ausgehend von der Aorta, der Hauptschlagader, immer weiter verzweigt und den
ganzen Körper durchzieht. Julia Engels beschreibt den Weg des Blutes durch den Körper:
„Aus dem Herzen kommend tritt es über die linke Herzkammer in die Aorta ein. Von
dort aus wird es durch Arterien und Arteriolen, das sind die kleinsten Arterien, in die Kapillaren
geleitet.“ Die Blutkapillaren bilden ein feines Netzwerk, das Kapillarnetz. Mittels
Mikrozirkulation findet hier ein Austausch von Sauerstoff, Nährstoffen und Stoffwechselendprodukten
mit den Geweben statt. „Blutkapillaren sind mit dem bloßen Auge nicht
sichtbar. Spannend ist, dass die dünnen Kapillarwände je nach Organ unterschiedlich
aufgebaut und dementsprechend durchlässig sind, sodass unterschiedlichste Stoffe an
ihren Zielort gelangen können“, so die Tierärztin. Das nun sauerstoffarme Blut wird über
das venöse System – von den Kapillaren zu den kleinen Venolen und dann zu den Venen
– zurück zum Herzen transportiert, wo es wieder in den Lungenkreislauf eintritt, um mit
Sauerstoff angereichert zu werden.

Präpariertes Pferdeherz. Foto: wikimedia.org

Am Anfang steht der Reiz
Dieser Blutkreislauf funktioniert nur, wenn das Herz „schlägt“, sich also kontinuierlich
rhythmisch an- und entspannt. Dafür ist das Reizbildungs- und Erregungsleitungssystem
(RELS) zuständig. Es besteht aus einer Reihe von modifizierten Herzmuskelzellen.
Diese bilden rhythmisch lokale Erregungen, die auf den übrigen Herzmuskel übergehen
und das Herz dadurch zur Kontraktion (zum Zusammenziehen) bringen. „Auslöser dieses
Systems ist der Sinusknoten, der sich in der Wand des rechten Vorhofs befindet. Er gibt
eine Art elektrischen Reiz, der schließlich dazu führt, dass sich zunächst der Vorhof kontrahiert
und dann die Kammer“, führt Julia Engels aus. Sie berichtet in diesem Zusammenhang
von einer Besonderheit, die insbesondere bei gut trainierten Pferden häufig
auftritt: „Bei ihnen bleibt in der Ruhe die Kammerkontraktion aus; nur der Vorhof kontrahiert.
Die Pferde regulieren dadurch ihren Blutdruck herunter. Das erklärt sich dadurch,
dass das Pferd als Fluchttier im Ruhezustand die komplette Intensität der Herzaktivität
gar nicht braucht. Beim Abhören ist dieses Phänomen daran zu erkennen, dass die Herztöne
in regelmäßigem Abstand einmal aussetzen.“

Herzzyklus und Herzfrequenz
Der Herzzyklus besteht aus vier Phasen. Diastole nennt sich die Phase, in der die Herzmuskulatur
entspannt ist. „Sie wird unterteilt in die Entspannungsphase und die Füllungsphase,
in der sich die Herzkammern mit Blut füllen. Die Systole ist die Phase, in der
sich die Herzmuskulatur zusammenzieht. Sie besteht wiederum aus einer Anspannungs-
phase und einer Auswurfsphase, in der das Blut aus den Herzkammern herausgepresst
wird“, so die Veterinärin.
Dieser Herzzyklus findet beim Pferd im Ruhezustand zwischen 28 und 40, maximal 44
Mal pro Minute statt. „Während einer starken Belastung wie beim Galopper im Rennen
kann sich die Herzfrequenz auf bis zu 240 Schläge pro Minute erhöhen“, sagt Julia Engels.
Sie erklärt weiter: „Die gängigste Methode, die Herzfrequenz zu ermitteln, ist das
Fühlen des Pulses, also der Blutwelle, die bei jedem Herzschlag durch die Arterien fließt.
Dazu werden Zeige- und Mittelfinger an der Gesichtsarterie, der Arteria facialis, an der
Innenseite des Unterkieferastes angelegt. Es ist aber auch möglich, die flache Hand in
der Herzregion hinter dem linken Ellbogen des Pferdes aufzulegen und die Herzschläge
zu zählen. In beiden Fällen empfiehlt es sich, entweder eine Minute lang zu zählen oder
15 Sekunden lang und die so ermittelte Frequenz mit vier zu multiplizieren.“
Die Ermittlung der Herzfrequenz ist immer eine Momentaufnahme, macht Julia Engels
deutlich: „Sie kann sich durch physische und psychische Stimulation sehr schnell verändern.
Eine Ruhe-Herzfrequenz von dauerhaft über 60 Schlägen in der Minute ist ein
Alarmzeichen.“ Akute Krankheitszustände wie eine starke Kolik, aber auch eine mitteloder
hochgradige Anämie könnten ebenfalls zu einer erhöhten Herzfrequenz
führen.

Störungen des Blutkreislaufs mit fatalen Folgen
Der Blutkreislauf kann aufgrund von verschiedenen Erkrankungen gestört sein. „Zu ihnen
zählen Herzerkrankungen, bei denen die Auswurfleistung des Herzens vermindert
ist, wie etwa das Vorhofflimmern, eine Herzarrhythmie. Auch Lungen- und Gefäßerkrankungen
können einen Einfluss auf den Blutkreislauf haben.“ Julia Engels verweist außerdem
auf Aortenaneurysmen und Aortenrupturen. „Aneurysmen sind lokale Erweiterungen
eines Gefäßes, hier der Aorta, die nach einem gewissen Zeitraum zum Tod führen.
Sie treten, vermutlich genetisch bedingt, relativ häufig bei Friesen auf. Eine Aortenruptur,
auch als Aortenabriss bezeichnet, führt dagegen spontan zum Tod. In der Regel
sind davon Sportpferde ab 13 Jahren betroffen. Die Ursache sind Alterungsprozesse, bei
denen sich Calzium und Kalk an den Gefäßwänden ablagern, meist herznah in der Aorta.
Dadurch wird das Gewebe spröde und kann reißen.“ (Karin Ottemann)

Mehr Informationen über Dr. Julia Engels finden Sie auf ihrer Internetseite
www.pferde-internistik.de

Lesetipps:
Gillian Higgins: „Anatomie verstehen – Die Organe des Pferdes“,
Kosmos, 2013
Erich König, Hans-Georg Liebich: „Anatomie der Haussäugetiere“,
Schattauer, 5. Auflage, 2012