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Philippe Karls Reaktion auf unsere Buchbesprechung

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Es besteht für uns keinerlei Verpflichtung diese Reaktion von Philippe Karl zu veröffentlichen, da wir aber der Meinung sind, wer „austeilt“ muss auch „einstecken“ können, veröffentlichen wir hier in voller Länge Philippe Karls Reaktion auf unsere Rezension seines Buches: „Irrwege der modernen Dressur“.

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Antwort von Philippe Karl auf die Buchbesprechung von Claudia Sanders (Dressur-Studien 3/2006, S. 102)
Übersetzung: Ilka Flegel, Jena
In der letzten Ausgabe ihrer Zeitschrift widmet Frau Sanders zwei ganze Seiten der Besprechung meines neuesten Buches, „Irrwege der modernen Dressur“. Darin hält sie es für angebracht, den Leser zweimal daran zu erinnern, dass ich Franzose bin. Das ist journalistisch gesehen kein Knüller. Sagen wir, ich bin ein europäischer Reiter, den die von den Medien und Sponsoren bestimmte, weltweite Tyrannei der modernen Dressur zutiefst betrübt.
Von der Chefredakteurin der Dressur-Studien dürfte man erwarten, dass sie ein Werk über die „Dressur“ wirklich „studiert“, bevor sie es beurteilt. Jede Kritik verlangt es, respektiert zu werden – dazu muss sie sich allerdings auf der Höhe des von ihr behandelten Themas bewegen … Die Anmerkungen von Frau Sanders zeigen jedoch, dass sie meine Bücher nur überflogen hat, und zwar offensichtlich eher flüchtig.
1. Frau Sanders merkt an, dass „das Thema der hohen Hand [in meinen früheren Büchern] eher am Rande gestreift worden ist – als eine mögliche Korrekturmaßnahme unter vielen“.
Tatsache ist aber, dass „Hohe Schule mit der Doppellonge“ in keiner Weise das An-die-Hand-Stellen des Pferdes behandelt, da dies schlicht und ergreifend nicht Thema des Buches ist. In „Reitkunst“ werden dem Thema insgesamt zwölf Seiten gewidmet, in denen sowohl die Biege- und Abkauübungen als auch alle anderen Elemente behandelt werden, die ich in meinem letzten Buch ausgeführt habe.
Wie glaubwürdig aber kann eine solch ungenaue und auf falschen Behauptungen basierende Kritik sein?
Frau Sanders behauptet weiterhin, dass in meinem letzten Werk „die hohe Hand ‚das Mittel’ [ist]“, das „den Mittelpunkt [meiner] Reitlehre bildet“. Dieses vereinfachende Urteil wird nur jene blenden, die das Buch nicht richtig gelesen haben. Schließlich schlage ich anstelle widernatürlicher Grundsätze auch in Bezug auf die Schenkel, den Sitz, die Längsbiegung, das Gleichgewicht, die Übergänge und die Versammlung klare Alternativen vor, die auf historischen Grundlagen basieren. Reicht das immer noch nicht aus?
Nein – den Mittelpunkt meiner Arbeit bildet die Philosophie der „Légèreté“, der Leichtheit. „Wenn der Weise auf den Mond zeigt, blickt der Tor auf den Finger.“
2. Frau Sanders schreibt, mein Ziel sei es, „die vermeintlichen Irrlehren der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) [zu] demaskieren“. Das möchte ich klarstellen: In den letzten dreißig oder vierzig Jahren hat sich die Dressur professionalisiert. Dank einer leistungsfähigen Logistik und der Überlegenheit ihrer Pferdezucht konnten sich die deutschen Berufsreiter innerhalb weniger Jahrzehnte an die Spitze dieser Disziplin setzen – und zwar in einem solchen Maß, dass sie der Dressur ihre eigenen Auffassungen aufgeprägt haben. Finanziell steht dabei so viel auf dem Spiel, dass das Berufsreitermilieu die Regeln mittlerweile nach Belieben verändert und die Dressurausbildung auf jedem Niveau stark beeinflusst. Dieses Phänomen lässt sich auf der ganzen Welt beobachten und betrifft alle reiterlichen Vereinigungen, allen voran die FEI.
Dies gesagt, gestehe ich Frau Sanders zu, dass die Deutsche Reiterliche Vereinigung in dieser Hinsicht offensichtlich eine führende Rolle spielt und es demzufolge sinnvoller ist, sich direkt an den Lieben Gott und nicht an seine Heiligen zu wenden. Man kann nicht gleichzeitig ein Monopol ausüben und sich weigern, dafür die Verantwortung zu übernehmen.
Die Hintergründe für die heutigen Irrwege in den Prinzipien der FN-Richtlinien aufspüren zu wollen, ist demnach nicht als Majestätsbeleidigung gedacht, sondern aus dem gesunden Menschenverstand geboren.
3. Frau Sanders wirft mir vor, die FN-Richtlinien unvollständig zu zitieren und dabei bestimmte positive Sätze wegzulassen, und schreibt, ich würde mein Ziel verfehlen, „die vorhandenen Auswüchse gerade im Turnierbereich einzudämmen“.
Man kann sich immer über die äußere Form auslassen, um dem Inhalt auszuweichen. Ein Beispiel: Die tief getragene Hand, die „durchhält“, wirkt schmerzhaft auf die Pferdezunge ein; die tief getragene Hand, die „annimmt“, wirkt automatisch nach hinten und zieht. Dass man diese Hilfen gefühlvoll und im Wechsel mit nachgebenden Hilfen wiederholt anwenden soll, ändert an dieser grundsätzlichen Tatsache nichts.
Man muss die Realität im Dressurviereck wirklich bewusst ignorieren wollen oder sich das Gesicht verhüllen, um die verheerenden Auswirkungen zu übersehen, die diese Lehre auf allen Ebenen anrichtet. Die Kraftreiterei, der Einsatz von Zwangsmitteln, der Prozentsatz der unbrauchbar gemachten Pferde und der überdrüssigen Reiter, der massive Zulauf, den alternative Reitweisen aller Arten verzeichnen – all diese Anzeichen sprechen Bände. Da Frau Sanders eine Vorliebe für Volksweisheiten zu haben scheint, möchte ich die folgende zu bedenken geben: „Wer mit der Nase an der Borke des Baumes kleben bleibt, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.“
4. Frau Sanders wirft mir vor, „ungenau mit der FN ins Gericht [zu gehen]“ und den Dialog mit der FN von vornherein zu unterbinden.
In meinem Buch führe ich nicht eine einzige Kritik der offiziellen Dogmen und nicht eine einzige mögliche Alternative an, die ich nicht anhand von Fakten aus der Anatomie, der Physiologie, der Bewegungslehre, der Gleichgewichtslehre oder der Verhaltenskunde genau begründen würde. Ich untermauere das Ganze zudem mit zahlreichen Zitaten alter Reitmeister und historischen Referenzen. Es geht wirklich auch „ungenauer“!
Was den Dialog betrifft: In allen Ländern verweigern die Instanzen der Dressur jeden inhaltlichen Austausch und ignorieren herablassend alles, was nicht ihren Interessen entspricht. Politische Korrektheit bringt da nichts. Manchmal muss man den Baum ein bisschen schütteln, damit ein paar Früchte herabfallen. Es geht hier um den Fortschritt der Reitkunst und den Schutz der Pferde – unabhängig davon, ob dies den Regeln eines vorsichtigen Journalismus entspricht oder nicht.
Davon abgesehen steigt die Anzahl derer, die sich gegen das moderne System wenden, jeden Tag weiter. Eine wachsende Zahl von Reitern, Reitlehrern, Tierärzten und Richtern stellt das System in Frage, selbst wenn sie ihre Kritik manchmal nur privat auszusprechen wagen – mit der Zensur ist schließlich nicht zu spaßen.
Für eine so einflussreiche Vereinigung wie die FN sollte es eine Ehrensache sein, die notwendigen, tief greifenden Reformen energisch anzupacken.
Selbst wenn ich dabei als Störenfried auftrete, so habe ich wenigstens in diese Richtung gewirkt. Zumindest gebe ich die Hoffnung nicht auf.
5. Als sachkundige Expertin moniert Frau Sanders in meinem Buch „Bilder von offenbar verspannten Pferden mit Unterhals“.
Betrachten wir als Beispiel dieses Piaffe-Foto aus dem Buch auf Seite 134. Frau Sanders beachtet hier weder das Absenken der Hinterhand, noch die Hankenbeugung, das deutliche, fleißige Untertreten der Hinterbeine, die Tätigkeit des Unterkiefers bei ganz leicht anstehenden Zügeln oder das allgemeine Gleichgewicht … Sie bemängelt, dass die Unterhalsmuskulatur zu stark hervortritt!
Dies ist ein schönes Beispiel für den offiziellen Dogmatismus, der auf der Grundlage von Unwahrheiten kategorische Urteile ausspricht.
• Es sind die Muskeln auf der Oberseite der Halswirbelsäule, die den Hals heben, und nicht die Unterhalsmuskeln (das ist eine grundlegende anatomische Tatsache). Hier gilt es außerdem, die momentane, den Anforderungen der Lektion entsprechende Halsform von einer im Lauf der Ausbildung entstandenen Fehlentwicklung der Muskulatur zu unterscheiden.
• Hinzu kommt, dass das Aufrichten des Halses eine Notwendigkeit des Gleichgewichts darstellt. Nur wenige Pferde mit entsprechendem Gebäude schaffen es, dieses korrekte Gleichgewicht zu halten und gleichzeitig in der unteren Halslinie konkav und im Genick vollständig beigezäumt zu bleiben.
Richtig verstanden haben Gleichgewicht und Aktivität – d.h. die „Légèreté“ – absoluten Vorrang.
Die Anatomie, Bewegungs- und Gleichgewichtslehre sowie zahlreiche anerkannte Meister könnten Frau Sanders all dies bestätigen, wenn sie sich die Mühe machen würde, ihre eigene Reitkultur nicht auf die offiziellen Schriften zu beschränken – und meine Bücher wirklich zu lesen, bevor sie sie beurteilt.

 

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