Ein Themenabend rund um den Galopp mit Andrea Jänisch und Richard Hinrichs
Die Gangpferde-Spezialistin Andrea Jänisch und der Klassik-Ausbilder Richard Hinrichs trafen im Juni 2006 im schweizerischen Grüningen zusammen, um einen Abend lang Fragen zum Galopp zu beantworten. Auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Kombination – doch tatsächlich verbindet die beiden Ausbilder viel: Das Bekenntnis zu einer soliden Grundausbildung und zum Reiten mit feinen und feinsten Hilfen. Das gilt natürlich auch für den Galopp – besonders dann, wenn Pferd und Reiter mit dieser Gangart Probleme haben. Die Dressur-Studien waren an diesem ersten, gemeinsamen Themenabend der beiden Ausbilder exklusiv dabei.
Warum ist der Galopp als Gangart so wichtig?
Andrea Jänisch: Mit einem guten Galopptraining kann der Reiter das Pferd in die Lage versetzen, sich ökonomisch und geschmeidig zu bewegen. So wird das Pferd reaktionsschnell und kann flexibel umsetzen, worum der Reiter bittet. In der Natur ist es für Pferde ein Überlebensprinzip, reagieren und Gefahren ausweichen zu können. Für mich als Reiter ist es ein dringendes Bedürfnis, diese Lebensqualität zu erhalten.
Richard Hinrichs: Für den Galopp kommt es darauf an, nicht zu statisch, sondern dynamisch zu denken. Das wichtigste in der Reiterei ist die Bewegung. Felix Bürkner, der Leiter des Schulstalls der Heeres-Reit- und Fahrschule in Hannover, hat einmal gesagt: „Das Leben ist zu kurz, um immer nur Schritt zu reiten – und schlechte Zigarren zu rauchen.“ Seine bevorzugte Gangart war der Galopp. Auch für ihn verband sich damit Lebensqualität.
Also: Raus aus dem statischen Denken, rein in die Dynamik. Es kommt darauf an, im Galopp ein dynamisches Gleichgewicht zu schaffen. Das erreiche ich dadurch, dass ich das Pferd mal mehr, mal weniger unter Spannung halte. Dafür muss ich immer wieder den Rahmen, die Körperhaltung des Pferdes verändern, denn mit einem bestimmten Rahmen ist immer ein bestimmter Spannungszustand verbunden.
Welchen gymnastischen Nutzen hat der Galopp?
Andrea Jänisch: Zuallererst möchte ich hier den Atemrhythmus nennen. Keine Gangart ist so geeignet, den Atemrhythmus zu trainieren – jeder Galoppsprung ist ein Atemzug. Das ist in den anderen Gangarten nicht so. Die Gangart Tölt macht es sogar besonders schwer, den geregelten Atemrhythmus zu erlernen. Im Galopp ergibt sich das aber von alleine. Ohne geregelten Atemrhythmus ist keine Anstrengung möglich, das kennt jeder vom Joggen.
Außerdem wirkt der Galopp auf die Bauchmuskulatur des Pferdes. Die setzt am Becken und innen an den Oberschenkeln an und wird durch den Galopp besonders beansprucht. Damit verbunden erhöht sich die Beweglichkeit im Kreuzdarmbeingelenk und damit die Bewegung des Beckens zum Rücken.
Noch etwas ganz anderes ist mir wichtig: Der Enthusiasmus. Ich kann mit dem Galopp den Enthusiasmus des Pferdes erhalten. Man kann alle Gänge im emotionalen Bild sehen: Für den Galopp ist Enthusiasmus, das Aus-sich-herausgehen die passende Emotion. Wenn das Pferd zu faul, zu introvertiert ist, dann ist der Galopp die geeignete Gangart, das Pferd schneller und fröhlicher zu machen.
Richard Hinrichs: Noch ein Wort zur Atemtechnik: Sie ist in unterschiedlichen Bereichen wichtig. In meiner Nähe wohnt ein Traberzüchter, der seine Pferde selbst trainiert. Seine Pferde liefen immer ins Geld. Ich habe ihn nach dem Erfolgsrezept gefragt und er hat gesagt: ‚Ich achte beim Training auf die Atemtechnik der Pferde und darauf, dass sie sich nach der Anstrengung schnell wieder beruhigen.‘ Und damit hat er offensichtlich vielen Konkurrenten etwas voraus. Dies nur als kleines Beispiel dafür, wie bedeutsam in den verschiedensten Bereichen die Atemtechnik für die Pferde sein kann.
Beeinflusst der Galopp auch die anderen Gangarten?
Andrea Jänisch: Nützt mir der Galopp beispielsweise im Tölt? Ich stelle mir ein verspannt und lateral gehendes Pferd vor, das in der Schulter sehr gebunden ist. Lateral bedeutet gleichseitig: Dieses Pferd läuft passartig, entweder nur mit einer Passtendenz oder sogar reinen Pass. Der Bewegungsablauf im Pass führt automatisch zu einer Rumpfversteifung: Wenn die Beine auf einer Seite gleichzeitig nach vorn schwingen, bleibt der Rücken praktisch unbewegt. Im Trab ist das anders, die ungleiche Bewegung der Beine auf derselben Seite lässt den Rücken schwingen.
Aber zurück zu dem Pass gehenden Pferd: Dieses Pferd kann ich in der Schulter beweglicher machen mit der so genannten Galopprolle. Das ist eine Spezialität der Gangpferde, die viele Gangpferdereiter leidvoll kennen. Denn die Galopprolle ist eigentlich ein Fehler: Eine nicht synchrone Bewegung im Tölt, bei der das Pferd immer einen Takt betont. Eins, zwei, drei, VIER, immer auf einem Vorderbein. In diesem Fall verwende ich das aber bewusst: Ich nehme die Galopprolle mit in den Tölt, um den Pass loszuwerden. Das geht relativ einfach: Ich treibe rechts und links unterschiedlich stark, verändere damit das Gleichgewicht, so dass das Pferd einseitig beschleunigt. Es soll nicht in den Galopp fallen, aber ich möchte das Pferd auf die Idee bringen: „Soll ich jetzt galoppieren?“ Es soll nur die Frage stellen, aber nicht angaloppieren. So dass ich diese nicht-synchrone Bewegung der Galopprolle bekomme und damit an Dynamik gewinnen kann. Das löst die gleichseitige Festigkeit des Pferdes auf.
Außerdem galoppiere ich das Pferd auch, um den Rücken überhaupt in Bewegung zu bringen. Ich hatte das schon gesagt, dass der Galopp die Beweglichkeit des Kreuzdarmbeingelenks verbessert. Dieses stark Pass gehende Pferd würde ich erstmal galoppieren, den Galopp aber nicht durchparieren und als beendet erklären, sondern quasi auslaufen lassen. Damit mache ich einen Viertakt daraus. Das mag exotisch klingen, funktioniert in der Praxis aber sehr gut. Auf beiden Händen ausgeführt, macht das irgendwann beide Schultern locker.
Richard Hinrichs: Diese Schwierigkeit gibt es nicht nur bei Gangpferden. Auch viele iberische Pferde treten auf einer Seite größer und auf der anderen kürzer.
Wo liegt der Nutzen der Galopparbeit für das junge Pferd?
Richard Hinrichs: Viele Pferde haben besonderes Talent für den Galopp, Vollblüter beispielsweise. Diese Pferde kann man im Galopp gut entspannen und lösen. Dagegen wäre etwa ein Friese mit zu langen Galoppreprisen überfordert – er gerät in Stress und macht dicht. Das heißt, dieselbe Maßnahme kann ganz unterschiedliche Wirkung haben. Es liegt an der Geschicklichkeit des Ausbilders, zu erkennen, wann er den Galopp einsetzt. Sehr bewegungsfreudige Pferde oder solche, die länger gestanden haben, werden im Schritt eher gestresst. Wenn Sie hingegen ein Pferd haben, dass im Training ist und es ist vielleicht heißes Wetter, dann wird es wahrscheinlich im Schritt gut entspannen.
Das Wesentliche ist also zunächst die Analyse: Was für ein Pferd habe ich, in welcher Ausbildungssituation ist es, welche Eigenschaften hat es? Außerdem: Welche Eigenschaften habe ich selbst als Ausbilder? Mit anderen Worten: Im System der klassischen Reiterei gibt es sehr viele unterschiedliche Methoden, die alle zielführend sein können.
Beim jungen Pferd beginne ich die Arbeit vorwärts-abwärts, im Trab wie im Galopp. Denn vorwärts-abwärts bedeutet Entspannung, wie beim Grasen. Ich sehe zu, dass ich die Pferde möglichst schnell dazu bringe, sich vorwärts-abwärts zu dehnen. Und zwar nicht über die Ermüdung, sondern indem ich es dazu erziehe und motiviere. Frisch an die hohe Leistung! Ich mache dem Pferd das Leben angenehm, sobald es sich vorwärts-abwärts streckt und unangenehm, wenn es mit Hirschhals den Rücken weg drückt. Wie erreiche ich das? Über eine möglichst geschickte Zügelführung. Das Pferd braucht von Anfang an Vertrauen in die Anlehnung ohne einen springenden Zügel. Hinterher auf blanker Kandare möchte ich einen durchhängenden Zügel, aber anfangs muss das Vertrauen in die Anlehnung erstmal da sein.
Wenn ich also eine ruhige Anlehnung hergestellt habe, beobachte ich, ob das Pferd in der Kopfhaltung läuft, die ich wünsche. Tut es das, ist der Zügel eher lang, mit einer weichen Verbindung. Verlässt das Pferd diese Haltung, nehme ich es sofort auf, reite es mit durchaus stärkerer Anlehnung. Und erst wenn das Pferd wieder in die Hand hineinzieht und sich dehnen möchte, öffne ich die Finger und lasse es sich wieder strecken. Auf diese Weise merkt das Pferd: ‚Vorwärts-Abwärts bekomme ich eine freie Halshaltung. Nehme ich aber den Kopf hoch, spüre ich einen unangenehmen Zug auf Zunge und Laden.‘ Pferde sind sehr schnell zu konditionieren. Klappt das im Schritt und Trab, gehe ich zum Galopp über und lasse auch dort das Pferd sich dehnen. So kann ich bei aufgewölbtem Rücken Spannungen durch Galoppieren abbauen. Das gilt aber alles nur für Pferde, die ein gewisses Galopptalent haben. Die anderen werden damit überfordert.
Andrea Jänisch: Für das junge Gangpferd muss ich in der Galoppausbildung den Tölt berücksichtigen. Ich arbeite Gangpferde, sofern sie überhaupt traben können, erst lange im Schritt und Trab. Galopp kommt sehr spät. Wenn ich das Pferd schon tölten kann, nehme ich das auf. Wenn es dazu neigt, sich sehr zu verkürzen und zu versammeln, könnte es leicht auf die Idee kommen, alternativ zum Tölten auch zu galoppieren. Das möchte ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht, weil ich mich mit dem Pferd erstmal auf eine neue Gangart konzentrieren muss. Ich brauche ohnehin wesentlich länger, um zu einer guten Qualität der einzelnen Gänge zu kommen als bei einem Dreigänger. Ein Gangpferd kann sieben oder acht Jahre alt werden, ehe es durch die Ausbildung in der Lage ist, über den Rücken zu galoppieren.
Bei den Gangpferden ist so schwer, weil es so unendlich viele Rassen gibt, die verschiedene Arten des Tölt gehen. Deshalb können die Pferde komplett unterschiedlich reagieren.
Mir sind Pferde begegnet, die so viel Schwierigkeiten mit dem Galopp haben, dass ich beim jungen Pferd noch nicht darüber nachdenken muss. Ich frustriere es nur. Ich würde dann eine Galoppqualität reiten, die ich so gar nicht üben möchte – denn auch das bleibt hängen. Dem Pferd ist das nämlich egal. Wenn es schlecht galoppiert und ich galoppiere schlecht weiter, sagt sich das Pferd: ‚Aha, diesen auseinander gefallenen, passigen Vierschlaggalopp finden die gut.‘ Und dann bleibt das so. Das macht man sich zu selten klar. So kann es sein, dass ich nur das Angaloppieren übe. Danach schafft das Pferd drei gute Sprünge, vielleicht einen Viertelzirkel. Danach verflacht der Galopp, wird zum Passgalopp, wird zu töltig – davor höre ich auf. Ich galoppiere neu an, die ersten Sprünge sind groß. Danke, das möchte ich haben und dann höre ich auf. Das lässt sich übrigens auf alles andere übertragen.
Es kann also bedeuten, dass ich den gymnastischen Nutzen des Galopps bei Gangpferden unter Umständen gar nicht nutzen kann. Es gibt Rassen, wo in der Zucht keine diagonale Bewegung toleriert wird. Beim Paso Peruano lässt die Zucht eigentlich keine Diagonale zu. Der Galopp braucht aber eine diagonale Stütze – wenn die Pferde konsequent in dieser Genetik gezüchtet werden, können sie tatsächlich oft nicht galoppieren. Das kann man ändern, das ist aber ein langes Projekt. Aus meiner Sicht ist so ein Langzeitprojekt sinnvoll, weil die Pferde in allen Bereichen gewinnen. Sie erweitern ihr Bewegungsspektrum, ihre physischen und psychischen Möglichkeiten.
Hinrichs: Das gilt nicht nur für Gangpferde. Bei Friesen kann man auf ähnliche Schwierigkeiten stoßen. Gerade bei heißem Wetter gehen sie prima im Schritt, vielleicht noch im Trab. Aber sie deuten an, dass sie bei Hitze einfach keinen Galopp gehen können. Und da muss man sich auch auf längere Zeiträume gefasst machen, wenn man so ein Pferd an den Galopp bringen will. Ich habe eine Friesenstute gekannt, die auch in der galoppierenden Herde, auf der Weide nur Trab ging.
Außerdem sind nicht alle Pferde in allen Körperteilen gleichmäßig belastbar. Ich hatte mit einer Lipizzanerstute zu tun. Die war nur bedingt belastbar, deshalb habe ich sie nur an der Hand im Schritt und Trab gearbeitet und über die Piaffe entspannt. Nach zwei Jahren habe ich mich drauf gesetzt und bin mit ihr galoppiert. Nur drei Wochen später sprang die Stute Dreierwechsel. So lange kann das dauern. In so einem Fall kann einem nur die Position der Stärke helfen, dass man sich sagt: Man wird das Ziel erreichen!
Was ist der Nutzen des Außengalopps?
Richard Hinrichs: Der Außengalopp war vor 20 Jahren noch heftig umstritten. Denn was nützt es mir, wen ich einem Pferd für die Klasse L den Außengalopp beibringe, wenn ich dann für die Klasse M den fliegenden Wechsel brauche? Über das Üben des Außengalopps strafe ich das Pferd für selbständig angebotene fliegende Wechsel und nehme ihm die Freude daran. So ist der Außengalopp tatsächlich schädlich. Aber ich kann dem Pferd helfen und mir selbst auch, indem ich den Außengalopp so reite, dass er den fliegenden Wechsel nicht erschwert.
Das mache ich, indem ich das Pferd im Außengalopp anfangs leicht renvers stelle. Das erleichtert dem Pferd mit dem bahnäußeren Hinterbein an das bahnäußere Vorderbein heranzukommen – also eigentlich eine Schonhaltung für das Pferd. Natürlich soll das Pferd möglichst gerade galoppieren. Aber das ist erst der nächste Schritt. Wenn es gelernt hat, Renvers im Außengalopp zu gehen, kann ich ihm die Schulter allmählich mehr zur Wand führen. Das Pferd, das bislang im Außengalopp nicht überfordert wurde, behält ihn bei und ich kann allmählich zum korrekten Außengalopp kommen, ohne je zu strafen. Auf diese Weise kriege ich auch genügend Ruhe und kurze Sprünge.
Aber unabhängig von Turnieranforderungen ist der Außengalopp gymnastisch sehr nützlich. Das Pferd braucht allerdings einen harmonischen Grundgalopp dafür. Dann kann es über den Außengalopp eine schönere Feinmotorik bekommen. Es wird sich der Funktion seiner Füße mehr bewusst und der Reiter kann gezielter und feiner einwirken. Der Außengalopp ist eine Herausforderung für Pferd und Reiter und kann das Gleichgewicht enorm schulen. Es bringt das Pferd dazu, genau auf die Reiterhilfen zu achten. So kann man zu einer ganz feinen Kommunikation mit dem Pferd kommen. Ich bekomme eine Grundeinstellung vom Pferd, wie bei einem gut ausgebildeten Schäferhund. Der fragt dauernd: Was tun wir jetzt? Nicht wie mancher Grundschüler: Sieh mal zu, was du mir jetzt beibringst. Bei meinen Pferden möchte ich die erste Einstellung sehen.
Andrea Jänisch: Ich kann zum Außengalopp nicht viel sagen, weil er den meisten Gangpferden sehr schwer fällt. Es ist möglich, ich reite ihn auch. Aber das Gangpferd fällt dabei noch leichter auseinander als der Dreigänger. Es hat noch viel mehr Möglichkeiten, sich zu entziehen. Es muss unbedingt so weit geritten sein, dass ich es in den Renvers stellen kann – dann komme ich auch mit Gangpferden an den Kontergalopp heran, aber sehr begrenzt.
Wie nützt der Galopp der Tragfähigkeit des Pferdes?
Richard Hinrichs: Das Angaloppieren ist dabei eigentlich der wichtigste Punkt. Beim Angaloppieren hat das Pferd noch viel Kraft und in diesem Moment lässt sich diese Kraft gut kanalisieren. Sie nimmt im weiteren Galopp ab, gerade bei Pferden, die von Natur aus sehr aufwändig galoppieren. Pferde mit flachem Galoppsprung brauchen nicht so viel Kraft, die können in langen Reprisen gearbeitet werden. Pferde mit aufwändiger Galoppade müssen über das Angaloppieren gekräftigt werden.
Und auch wenn ich später an fliegenden Wechseln arbeite, ist das Angaloppieren das wesentliche Moment, wo man eingreifen kann. Den fliegenden Wechsel selbst kann ich nicht korrigieren, ich muss das Angaloppieren optimieren. Oder ich kann den Grundgalopp verbessern. Wenn ich das zusammenbringe, habe ich schöne fliegende Wechsel. Auch Seitengänge verbessern die Verfügbarkeit nach allen Seiten und nutzen damit den fliegenden Wechseln.
Es kommt darauf an, das Pferd möglichst abwechslungsreich arbeiten zu lassen. In der Spanischen Reitschule in Wien hat sich bewährt, ältere Pferde niemals mehr als eine halbe Runde aussen herum zu reiten, ohne das Programm zu ändern. So kann ich das Pferd durch den Galopp motivieren für eine Lektion, die noch höhere Tragfähigkeit erfordert, wie die Piaffe. Oder auch umgekehrt die Piaffe nutzen, um das Pferd für den Galopp zu motivieren. Am Ende der Ausbildung sollte aber immer das befreiende Vorwärts stehen.
Andrea Jänisch: Bei Töltern kann ich die Tragkraft nicht verbessern, wenn ich zu früh versuche, im Galopp einen Dreischlag zu realisieren. Ich bleibe also im Vierschlaggalopp, muss aber versuchen, das Pferd zu versammeln, zu verkürzen.
Um das zu erreichen, versuchen die meisten Reiter, mehr zu treiben – das wäre der typische Weg bei einem fünfgängigen Isländer. Der Reiter drückt also mehr mit dem Schenkel – das Pferd aber erhöht nur sein Grundtempo. Wenn ich aber die Verfügbarkeit des Galopps verbessern will, muss ich anders reiten. Da muss ich zwar mehr treiben, aber mit sehr, sehr kurzen Impulsen. Es funktioniert bei einem Fünfgänger, wenn ich mit meinen Hilfen in kurzen Abständen „Galopp, Galopp, Galopp“ sage. Kein langer, anhaltender Druck mit dem Schenkel, sondern kurze, wiederkehrende Impulse im Takt. Da fängt das Pferd an, sich zu verkürzen. Dann kann ich Zirkel galoppieren und merke, es kommt im Bauch höher, der Galopp wird runder.
Hat auch der gelaufene Galopp des Gangpferds einen gymnastischen Nutzen?
Andrea Jänisch: Viele Gangpferde haben eine genetische Disposition zum gelaufenen Galopp. Man züchtet den Töltern die Neigung zum Springen ab – je nach Rasse mehr oder weniger. Keine Sprungphasen – nicht im Trab, nicht im Galopp. Je nach Zucht ergeben sich so Pferde, die Trocha gehen, also die aufgelöste Diagonale. Also gehen sie nicht in eine Sprungphase, sondern lösen in einen Viertakt auf. Das ist so gewollt. Das macht jedoch die Schwierigkeiten im Galopp – diese Pferde sind zum Laufen und nicht zum Springen gezüchtet. Das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden.
Aber auch der Vierschlaggalopp hat seinen Nutzen. Er ist im Gelände für den Reiter äußerst bequem, bequemer als Dreischlaggalopp, weil er Bewegung aus dem Sattel nimmt. Früher nannte man diese Gangart Aubin und nutzte ihn für Langstrecken. Es handelt sich also um einen Galopp ohne Sprungphase, einen gelaufenen Galopp. Auch diese Pferde können langfristig einen qualitätvollen Galopp lernen. Es ist eine Frage der Zeit, Geduld und Können des Besitzers. Hilfsmittel wie kleine Gymnastiksprünge können helfen, damit das Pferd überhaupt auf die Idee kommt, dass es tatsächlich springen kann. Ich mache das regelmäßig mit meinen Pferden an der Longe. Oft in Serien, In-Outs oder Dreiern. Die Pferde lernen, den Rücken aufzuwölben und zu springen. Sie lernen, den Galopp zu regeln und an die Sprünge anzupassen.
Ich muss dabei besonders beachten: Wieviel Druck kann ich überhaupt ausüben? Hans Riegler, Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule, hat gesagt, dass Gangpferde mit ihrem erweiterten Repertoire immer dem Druck ausweichen können. Genauso ist es. Gangpferde erlauben nicht viel Druck, sie weichen in den Tölt aus – sie entziehen sich dem, was ihnen schwierig erscheint. Ein Gangpferd mehrgängig gymnastisch schön zu reiten, zwingt den Reiter noch mehr, wirklich fein zu reiten.
Richard Hinrichs: Auch viele iberische Pferde, die sehr aufwändig galoppieren, tun dies im Vierschlag. Dabei fußen zunächst die Hinterbeine auf und dann die Vorderbeine, ohne Diagonale. Im Barock entstanden daraus zwei Arten des Viertaktgalopps: Redop und Mezair. Und daraus wurden die Schulsprünge entwickelt, statt aus der Piaffe. Erst dieser Vierschlag brachte die größtmögliche Beweglichkeit in alle Richtungen.
Jänisch: Dabei ist aber der Punkt, dass die Pferde sich so aufnehmen, dass sie länger auf der Hinterhand bleiben. Bei den Gangpferden ist das anders. Trotzdem würde ich beim Gangpferd versuchen, den Vierschlaggalopp zu kultivieren und auf die Hinterhand zu setzen. Das ist eine gute Möglichkeit.
Neben dem gelaufenen Vierschlaggalopp gibt es bei den Gangpferden noch den Passgalopp. Dabei belastet das Pferd in der Diagonale erst vorn, dann hinten belastet und wird dadurch schulterlastig. Der Passgalopp gehört zu den unangenehmsten Gangarten. Bei mehrgängigen Pferden gibt es welche, die das sehr hartnäckig tun. Um das zu ändern, muss ich das Pferd mehr ins Gleichgewicht bringen. Aber weil diese Pferde gern in den Tölt ausweichen, ist es sehr schwer zu korrigieren. Ein weiterer Vierschlaggalopp ist der Rocking Chair Galopp bei Missouri Foxtrottern oder Tennessee Walkern. Die Pferde werden in Amerika mit Gewichten geritten, so das die Vorhand sehr hoch kommt – es entsteht also ein Viertaktgalopp, erst fußen die beiden Hinterbeine auf, dann die beiden Vorderbeine. Es ist keine flexible Gangart, die über den Rücken geritten wird, aber er ist sehr bequem.
Frau Jänisch, Herr Hinrichs, vielen Dank für das Gespräch! (Sandra Will/Stefanie Simon)