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Rechts- und Versicherungsfragen: Auf Nummer sicher bei der Freiarbeit

Der Text ist eine Leseprobe aus unserem Heft „Kunst und Kommunikation: Freiarbeit und Freiheitsdressur“.

Wer mit Pferden arbeitet, muss damit rechnen, dass nicht immer alles so läuft wie geplant. Schließlich haben wir es mit einem Lebewesen zu tun, das sich nicht in jeder Situation kontrollieren lässt. Das gilt insbesondere bei der Freiarbeit. Problematisch wird es, wenn dabei ein Mensch, ein Tier oder eine Sache zu Schaden kommt. Das kann nicht nur teuer werden, sondern es kann sogar eine Haftstrafe drohen.

Unfälle im Zusammenhang mit einem Pferd können schnell passieren. Bei der Freiarbeit ist die Gefahr theoretisch sogar noch etwas größer, da der Mensch, anders als etwa beim Reiten, keinerlei physischen Einfluss auf das Pferd nehmen kann. Wer oder was auch immer dabei zu Schaden kommt, fest steht: „In jedem Schadensfall haftet irgendjemand“, so der Rechtsanwalt Jürgen Althaus aus Münster.
Der Jurist ist spezialisiert auf Pferderecht und selbst ein erfahrener Pferdetrainer, der mit seinen beiden Pferden auch Freiarbeit macht. „Im deutschen Recht haben wir regelmäßig eine Verschuldenshaftung. Das bedeutet, grundsätzlich haftet jemand, der schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, einen Schaden verursacht hat, für diesen.“ Geregelt ist diese Schadensersatzpflicht in § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Grundsätzlich haftet der Tierhalter
Im Umgang mit einem Pferd gilt dagegen grundsätzlich die Gefährdungshaftung: „Sie besagt, dass derjenige für den Schaden haftet, der eine Gefahr gesetzt hat. Das ist beispielsweise ein Mensch, der ein Pferd hält. Bei Schäden, die durch ein Pferd verursacht werden, haftet deshalb der Pferdehalter – ebenso wie bei Unfällen im Straßenverkehr der Fahrzeughalter“, so Jürgen Althaus. Verursacht das Pferd also bei der Freiarbeit einen Personen- oder Sachschaden, trifft den Pferdehalter unabhängig von seinem Verschulden die Haftung des Tierhalters gemäß § 833 BGB.
Das gilt jedoch nur, wenn sich im konkreten Fall die „typische Tiergefahr“ verwirklicht hat. „Nach der Rechtsprechung ist das gegeben, wenn der Schaden durch ein der Natur des Tieres entsprechendes, also unberechenbares Verhalten entstanden ist. Gerade bei der Freiarbeit befinden wir uns eigentlich immer im Bereich der Gefährdungshaftung“, so der Jurist. Arbeitet jemand anderes als der Pferdehalter selbst mit dem Pferd, haftet für Schäden an fremden Personen oder Sachen die Person, die Einfluss auf das Pferd ausübt. „Das kann der Reiter, Kutscher oder derjenige sein, der mit dem Pferd Freiarbeit macht“, erklärt Jürgen Althaus.

Frei hinaus in die Natur?
Wird mit dem Pferd frei in der Reithalle oder auf einem eingezäunten Reitplatz gearbeitet, ist das Risiko noch relativ überschaubar. Doch auch hier kann das Pferd Schäden verursachen. „Entzieht es sich der Kontrolle des Menschen und tritt zum Beispiel nach einem anderen Pferd oder einem Menschen, verwirklicht sich hier die Tiergefahr. Gleiches gilt, wenn ein Reiter mit einem anderen Pferd in die Bahn kommt und das frei laufende Pferd darauf reagiert. In solchen Fällen ist es erst einmal gleichgültig, ob der Pferdehalter schuldhaft gehandelt hat“, betont Jürgen Althaus.
Doch wie sieht es aus, wenn das Training in freiem Gelände stattfindet? Jürgen Althaus, der selbst schon mit seinen Pferden Freiarbeit an einem Ostseestrand gemacht hat, sagt dazu: „Genauso. Da es bei der Gefährdungshaftung nicht um die Frage des Verschuldens geht, spielt es auch keine Rolle, wo mit dem Pferd trainiert wird.“ Nicht immer haftet jedoch der Pferdehalter allein, macht Jürgen Althaus deutlich: „Im
Fall des Reiters, der während der Freiarbeit ohne Vorwarnung mit seinem Pferd die Halle betritt, kommt ein Mitverschulden des Reiters nach § 254 BGB in Betracht. Die Gefährdungshaftung des Pferdehalters wäre dann gegen das Mitverschulden des Geschädigten abzuwägen.“
So weit zur zivilrechtlichen Haftungsfrage – die letztlich eine Frage des Geldes ist. „Im Zivilrecht geht es um die Erstattung eines Schadens – in unserem Fall des Schadens, den das Pferd zum Beispiel an der Kleidung, an der Reithallenbande, an einem anderen Pferd oder durch eine Verletzung des Körpers verursacht. Bei Personenschäden kommt auch eine Erstattung des Verdienstausfalls in Betracht“, so der Anwalt. Im schlimmsten Fall können solche Schadenssummen in Millionenhöhe liegen. Deshalb ist der Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung für jeden Pferdehalter ein Muss.

Was ist versichert?
Die Pferdehalterhaftpflichtversicherung deckt durch das Pferd verursachte Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab. „Ist der Pferdehalter nicht versichert, haftet er mit seinem persönlichen Vermögen“, sagt Sebastian Bonnet, der nicht nur als Vertreter der Itzehoer Versicherungen, sondern auch als Bodenarbeitstrainer tätig ist. Wichtig zu wissen ist dabei, in welchen Fällen die Versicherung nicht greift. Der Versicherungsexperte aus Horst in Schleswig-Holstein erklärt: „Im Kleingedruckten finden sich oft Haftungsausschlüsse. So kann das Risiko für Reitbeteiligungen oder Fremdreiter ausgeschlossen sein.“
Generell greift die Pferdehalterhaftpflichtversicherung nicht, wenn ein Schaden vorsätzlich verursacht wurde. Bei Fahrlässigkeit sieht das anders aus. Der Versicherungsexperte erklärt: „Einfache Fahrlässigkeit ist meist mitversichert. Allerdings kann die Versicherung im Fall nachgewiesener Fahrlässigkeit gegebenenfalls den Pferdehalter mit einer bestimmten Summe in Regress nehmen.“ Selbst wenn grobe Fahrlässigkeit mit versichert ist, heißt das nicht, dass der Versicherungsnehmer aus dem Schneider ist: „Hier wird dann der Schaden des geschädigten Dritten bezahlt, aber je nachdem was im Kleingedruckten steht, kann sich die Versicherung vorbehalten, den Betrag vom Versicherten zurückzufordern.“

Wo grobe Fahrlässigkeit anfängt
Fahrlässig handelt gemäß § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Grobe Fahrlässigkeit verlangt im Unterschied dazu einen besonders schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten. „Sie ist gegeben, wenn ich mit meinem Handeln wissentlich das Leben oder das Wohl Anderer in Gefahr bringe“, sagt Sebastian Bonnet. Allein die Tatsache, dass ein Pferd im Rahmen der Freiarbeit frei läuft, gilt laut Sebastian Bonnet noch nicht als grob fahrlässig, selbst dann, wenn das Training in einem eingezäunten Außenbereich stattfindet. Hier besteht somit in der Regel Versicherungsschutz.
In freiem Gelände kann das anders aussehen. „Das Pferd ist ein Fluchttier, daher ist immer damit zu rechnen, dass es sich erschrecken und außer Kontrolle geraten kann. Hier kann ich schnell in den Bereich der Fahrlässigkeit oder groben Fahrlässigkeit kommen. Ist das nachgewiesen, kann der Versicherungsschutz entfallen“, warnt Sebastian Bonnet.
Der Versicherungsexperte nennt weitere Beispiele: „Ein Fall grober Fahrlässigkeit wäre auch denkbar, wenn ich mit einem jungen, unerfahrenen Pferd auf einem ungesicherten Gelände Freiarbeit bei einer Kindervorführung mache. Oder der Pferdehalter weiß, dass sein Pferd bei der Freiarbeit bockt und wegrennt, sagt es aber seiner Reitbeteiligung, die ebenfalls mit dem Pferd frei arbeitet, nicht.“
Sebastian Bonnet gibt außerdem zu bedenken: „Manche Versicherungsverträge geben vor, mit welcher Zäumung das Pferd im Gelände zu reiten oder zu führen ist. So kann explizit geregelt sein, dass das Pferd im öffentlichen Straßenverkehr nur mit Trense geführt und geritten werden darf.“ Bei einem frei laufenden Pferd wäre hier also kein Versicherungsschutz gegeben. Um im Fall eines Schadens vor bösen Überraschungen geschützt zu sein, ist es deshalb wichtig, das Kleingedruckte genau zu lesen.

Auch der Trainer kann haften 
Eine Rolle spielt für die Frage des Versicherungsschutzes zudem, wer mit dem Pferd arbeitet, macht Sebastian Bonnet deutlich: „Ist es der Eigentümer des Pferdes, greift seine Tierhalterhaftpflichtversicherung. Ist es eine Reitbeteiligung oder ein Fremdreiter, kommt es darauf an, ob sie nach den Versicherungsbedingungen mit umfasst sind. Ist das der Fall, gilt der Versicherungsschutz auch, wenn die Person minderjährig ist.“ Der Schaden kann jedoch auch durch eine andere Person verschuldet sein, etwa wenn mit einem Trainer zusammengearbeitet wird. „Kommt aufgrund seiner Anweisung jemand – der Reitschüler oder ein Dritter – oder eine Sache zu Schaden, ist er dafür haftbar zu machen. Das kann der Fall sein, wenn er Freiarbeit auf einem nicht eingezäunten Platz machen lässt, obwohl er weiß, dass sein Schüler das Pferd noch nicht kontrollieren kann. Die Verantwortlichkeit ist jeweils im Einzelfall zu prüfen.“ Wichtig zu wissen: Durch einen Reitlehrer verursachte Schäden sind nicht über seine private Haftpflichtversicherung
versichert. Sebastian Bonnet rät deshalb dazu, auch im eigenen Interesse darauf zu achten, dass der Reitlehrer eine Betriebshaftpflichtversicherung hat.

Leichtsinn kann strafbar sein

Was vielen Pferdehaltern nicht bewusst ist: Unabhängig von den zivilrechtlichen Ansprüchen können sie unter Umständen auch strafrechtlich belangt werden. Und davor schützt keine Versicherung.
Verletzt das frei laufende Pferd einen Menschen, kommt eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Betracht. Jürgen Althaus schildert ein Beispiel: „In der Reithalle, in der ich Freiarbeit mache, macht sich auf dem anderen Zirkel schon die Voltigiergruppe warm. Bewege ich mich mit meinem Pferd zu diesem Zirkel hin, es tritt nach einem Kind und verletzt es, kann das den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung verwirklichen. Denn hier reicht schon die einfache Fahrlässigkeit aus.“ Heikel kann es in dieser Hinsicht auch bei Freiarbeit im Gelände werden. „Ein Pferd hier frei laufen zu lassen, kann unter Umständen bereits für den Vorwurf der Fahrlässigkeit ausreichen, da ich als Pferdehalter praktisch keine Möglichkeit der Einwirkung mehr habe. Hier ist zumindest eine provisorische Umzäunung zu empfehlen“, sagt Jürgen Althaus, der an der Ostsee selbst mit einer solchen Sicherheitsmaßnahme gearbeitet hat.
Der Rechtsanwalt rät dazu, (nicht nur) bei der Freiarbeit stets mit Bedacht vorzugehen: „Dem verantwortungsvollen Pferdehalter sollte es nicht nur darum gehen, sich finanziell abzusichern. Er sollte sich vielmehr bemühen, von vornherein jede mögliche Gefährdung von Menschen, Tieren und Gegenständen fernzuhalten und entsprechende Vorsorge zu treffen, damit es gar nicht erst zu Schäden kommt.“ Sebastian Bonnet würde deshalb, auch wenn es letztlich nicht unbedingt eine Frage des Versicherungsschutzes ist, von Freiarbeit in freiem Gelände abraten. „Ich finde das Risiko zu hoch. Wer sich von Filmen wie Ostwind oder Immenhof inspirieren lässt, sollte bedenken, dass dort Profis am Werk sind.“ Was den Versicherungsschutz angeht, fasst er die wichtigsten Punkte zusammen: „Der Abschluss einer  Pferdehalterhaftpflichtversicherung ist obligatorisch, da Pferde als Luxustiere gelten und daher aus der privaten Haftpflicht ausgeschlossen sind. Die Versicherung sollte Reitbeteiligungen und Fremdreiter
einschließen. Zusätzlich kann das eigene Pferd mit einer OP- oder Pferdekrankenversicherung abgesichert werden.“ Und nicht zuletzt sollte der Pferdehalter an sich selbst denken: „Vergessen wird oft, wie wichtig eine private Unfallversicherung ist. Denn die eigene Krankenversicherung zahlt nur, bis der Schaden geheilt ist. Kosten für längerfristige Unfallfolgen übernimmt sie nicht.“ (Karin Ottemann)

Wann Haftstrafen drohen können
Verursacht das frei laufende Pferd einen Unfall, etwa auf der Straße oder im Schienenverkehr, können Staatsanwälte prüfen, ob hier ein „Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr”, § 315b des Strafgesetzbuchs, vorliegt. Oder aber ein „Gefährlicher Eingriff in den Bahn-, Schiffs,- und Luftverkehr“, nach § 315 StGB. Für das Erstere liegt die Höchststrafe bei fünf Jahren Haft. Bei Letzterem kann das Strafmaß bis zu zehn
Jahre Haft betragen

Informationen über Jürgen Althaus finden Sie unter www.tiermedrecht.de
und über Sebastian Bonnet unter www.sebastianbonnet.de

Lesetipps
Jürgen Althaus: „Die Kaufuntersuchung des Pferdes“, Schlütersche, 2011
Jürgen Althaus: „Die Tierarztpraxis – Praxisnachfolge“, Schlütersche, 2024
Jürgen Althaus: „Arzneimittelrecht für Tierärzte“, Enke, 2017

 

Der Text ist eine Leseprobe aus unserem Heft „Kunst und Kommunikation: Freiarbeit und Freiheitsdressur“.