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Der Herrscher über die Leinen: Im Gespräch mit Doppellongen-Profi Wilfried Gehrmann

Der Herrscher über die Leinen:
Im Gespräch mit dem Doppellongen-Profi Wilfried Gehrmann

Die erste Begegnung mit der Doppellonge kann zu echter Verwirrung führen – im wahrsten Wortsinne. Die Leinen wollen geordnet und sortiert werden. Und wer das Gefühl hat, schon dafür reichen zwei Hände nicht, wird sich eine dritte Hand wünschen, wenn er die Longiergerte auch noch unterbringen muss. Solche Anfängerprobleme meistert Wilfried Gehrmann mit links und erklärt dem Doppellongen-Neuling, wie er das Arbeitszeug richtig ordnen muss. „44 Jahre war ich Berufsreiter, jetzt ist das nur noch mein Hobby“ lächelt er. Über viele Jahre leitete er die Landesreitschule Rheinland, hat das goldene Reitabzeichen und richtet bis Grand Prix. Für die Dressur-Studien sprach Claudia Sanders mit dem Doppellongen-Profi.

Herr Gehrmann, wie haben Sie Bekanntschaft mit der Doppellonge gemacht?
Während meiner Ausbildung als Berufsreitlehrer habe ich auch die Berufsfahrlehrer-Reitprüfung gemacht und im Zuge dieser Ausbildung musste man zwangsläufig zum Einlongieren und Einfahren der Pferde die Doppellonge verwenden. Und dann habe ich die Doppellonge nicht nur für das Fahren kennen und schätzen gelernt, sondern auch mehr und mehr umfunktioniert für die Reitpferde.

Welchen Vorteil hat die Doppellongenarbeit gegenüber der einfachen Longenarbeit?
Bei der Doppellonge hat man erheblich mehr Einwirkungsmöglichkeiten als mit normaler Longe. Allein dadurch, dass auf jeder Seite des Pferdes eine Möglichkeit der Führung besteht, während das bei der einfachen Longe nur einseitig geht. Man kann sie einsetzen bei jüngeren Pferden, bei älteren, bei Korrekturpferden. Das hängt natürlich immer davon ab, wie viel Geschick der Ausbilder hat, damit letztlich bei der Sache was Vernünftiges heraus kommt.

Welche Voraussetzungen muss der Ausbilder mitbringen?
Er muss sich einmal in der Theorie schon recht gut auskennen, um die Zusammenhänge der Reitlehre wissen, damit er auch das Pferd nach den bewährten Grundsätzen der klassischen Lehre ausbilden kann. Er muss die Theorie beherrschen und muss die praktischen Fähigkeiten haben und das Pferd dazu bringen, so zu gehen, wie er sich das vorstellt.

Und welche praktischen Fähigkeiten sind das?
Zunächst einmal muss er das unter der Anleitung eines geübten Longenführers kennen lernen, damit er die Reaktionen des Pferdes erst einmal richtig einzuschätzen weiß. Wenn er das beherrscht, kann er Pferde auch selbständig arbeiten.

Das heißt, bevor man sich an die Doppellonge wagt, sollte man „normal“ Longieren gelernt haben?
Ja, das Longieren mit einfacher Longe, damit man die Reaktionen der Pferde soweit kennt und auch die Peitsche zweckmäßig handhaben kann. Unter der Anleitung eines Geübten muss man die Doppellonge erst einmal gründlich erfahren haben, denn sonst kann man nicht erwarten, dass man ein Pferd effektiv arbeiten kann.

Welche Voraussetzungen braucht das Pferd für die Arbeit an der Doppellonge?
Fast keine. Es muss aber das entsprechende Alter haben, also mindestens drei Jahre alt sein, es muss an der normalen Longe auf der entsprechenden Zirkellinie gehen, dann kann man mit der Doppellonge beginnen. Am besten in einer Longierhalle, wo eine äußere Begrenzung ist oder in einem stationär fest aufgebauten Zirkel. Das erleichtert die Arbeit doch ungemein.

Dadurch dass die äußere Longe des Pferdes um die Hinterhand herum liegt und durch die Bewegung des Hinterbeines entsprechend mitschwingt, wirkt der äußere Zügel doch offenbar sehr deutlich- fast ruckartig – selbst bei feinster Leinenführung – auf das Pferdemaul. Befürchten Sie nicht, dass die Pferde dadurch an Sensibilität im Maul verlieren?
Aus dem Grunde führe ich die äußere Longe auch immer besonders locker, so dass dann sich die Bewegung des äußeren Hinterbeines sich nicht auf das Maul überträgt.
Und aus Erfahrung kann ich sagen: Wenn die Pferde an der Doppellonge gut gehen, dann lassen sie sich erheblich besser reiten als ohne diese Vorbereitung. Von daher ist das schon recht effektiv.

Warum benutzen Sie bei der Doppellongenarbeit eine Trense und nicht beispielsweise einen Kappzaum?
Ein Pferd sollte ja nun eine gute Maultätigkeit haben und dazu braucht man das Gebiss. Es soll eben im Genick sicher nachgeben, mit Kappzaum ist das nur begrenzt möglich. Mit Kappzaum lassen sich auch nur Pferde longieren die ausgesprochen sensibel sind, die ganz leicht in der Hand sind. Denn wenn man – einfach gesagt – ein etwas büffeliges Tier hat, das zum Laufen neigt, dann hat man auf Kappzaum keine Chance, das Pferd unter Kontrolle zu bekommen.

Was lässt sich mit der Doppellonge alles erarbeiten?
Man kann den Pferden in der Grundausbildung helfen, man kann sie vorbereiten auf das Aufsitzen. In der Grundausbildung kann man sie so über den Rücken arbeiten und lösen. In der weiteren Ausbildung lassen sich Lektionen erarbeiten. All das was man unterm Reiter braucht, könnte man im Grunde vorher an der Doppellonge erarbeiten, wenn man das nötige Geschick hat. Das geht hin bis zur bis zur Entwicklung von Piaffe und Passage an der Doppellonge.

Herr Gehrmann, vielen Dank für das Gespräch!

Cover des Heftes Longieren und Doppellonge
Unsere Heft Longieren enthält auch Artikel zum Thema Doppellonge. Es ist nur noch als E-Paper erhältlich.

 

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