Lordy

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Hier die ungekürzte und unredigierte Geschichte von Lordy. Lordy wird in unserem Heft 3/2021 besprochen.

Name, Alter, Geschlecht & Rasse des Pferdes:
„Der kleine Lord“, genannt „Lordy“ oder wenn er mal wieder was angestellt hat (was niiiiiiiieeeeee passiert) „Herr Pony“ oder „Herr Pö“
26 Jahre alt
Wallach (davon weiß er nur nichts, er war bei seiner Kastration offenbar nur körperlich anwesend…)
Welsh-B-Mix

Wie lange ist das Pferd in ihrem Besitz?:
seit 13 Jahren

Welchen Ausbildungsstand hat ihr Pferd?:
ca. A (an guten Tagen definitv A, an Pony-Tagen maximal E… Ich nehms mit Humor, alles andere bringt nix.)

Welcher Reitweise haben Sie sich verpflichtet?
meine aktuelle Trainerin (die ich nicht mehr missen möchte, da Lord dank ihr wieder sehr gut unterwegs ist und seinen Körper viel besser einzuschätzen und zu nutzen weiß- vor allem sein rechtes Hinterbein) arbeitet nach Herrn Thomas Ritter.
Ich sehe mich als Anhängerin der klassischen Reitkunst.

Wie oft und wie trainieren Sie ihr Pferd?:
Lord`s Wochenplan gestaltet sich wie folgt:
Montag: Führmaschine morgens und abends, bzw. im Sommer morgens Koppel und abends Führmaschine
Dienstag: Longieren (entweder über Cavalettis oder Training von Übergängen & Tempiwechseln- eine Woche das eine, die andere Woche das andere)
Mittwoch: entweder Dressurarbeit auf dem Platz (ca. 40 Minuten bis 1 h, je nachdem wie er drauf ist) oder spazierengehen (wenn es uns beiden oder einem von uns nicht so gut geht) oder Zirzensik (Podestarbeit- liebt er abgöttisch, Plie, Kompliment, span. Schritt, zusammen frei traben oder galoppieren- ich leg los, er macht mit) oder Langzügelarbeit.
–> Lord braucht innerhalb der Arbeit große Kontinuität, sonst wird er unsicher und macht „zu“, dann läuft gar nix mehr. Dafür braucht er ab und an Abwechslung, also statt reiten in der Bahn lieber Langzügelarbeit. Die Aufgaben dabei bleiben vorwiegend die gleichen, nur meine Position wechselt. Das verunsichert ihn nicht zu sehr, sondern macht ihn wieder „wach“ und motiviert. Es hat viele Jahre gebraucht, bis ich ihn da verstanden habe. Häufig hatte ich ein total unmotiviertes Pferd, das freiwillig keinen Meter mehr laufen wollte und wusste nicht wieso. Erst mit der neuen Trainerin habe ich verstanden, was er braucht. Seither habe ich ein hochmotiviertes Pferd, das auch im Alter noch richtig an Muskulatur zugelegt hat und voller Freude arbeitet. Das hätte ich nicht mehr zu hoffen gewagt.
Donnerstag: Führmaschine morgens und abends, bzw. im Sommer morgens Koppel und abends Führmaschine
–> zusätzlich Körperarbeit für Pferde mit der Masterson-Methode (er liebt es, entspannt & genießt und ist am nächsten Tag fluffig und locker)
Freitag: Die Reitbeteiligung (bei mir seit 7 Jahren, Lord mag sie sehr gerne) reitet aus, macht Bodenarbeit oder reitet dressurmäßig auf dem Platz
Samstag: Dressurarbeit auf dem Platz
Sonntag: unser Ausreittag- meine Freundin, ihre Stute (Lords Koppelpartnerin) und ich gehen ausreiten. Im Winter max. 2 h, im Sommer trainieren wir auf bis ca. 5 Stunden/25 km (die wir dann natürlich vorwiegend im Schritt unterwegs sind bzw. auch ab und an führen oder eine (Fress-/Ess-) Pause machen.

Der Plan ist natürlich nicht in Stein gemeißelt. Früher war ich sehr darauf bedacht, diesen einzuhalten. Es gibt aber Tage, da bringt es nix auf den Platz zu gehen- es ist dann sogar eher kontraproduktiv. Als Lord 2017 beinah gestorben wäre (siehe Krankheitsgeschichte), habe ich dies als Warnsignal genommen, mein Verhalten gegenüber Lord zu überdenken. Wichtig ist, dass er lebt, dass es ihm gut geht und dass wir gemeinsam eine schöne Zeit verbringen. Seit ich mir diesen Druck rausgenommen habe ist unser Verhältnis viel besser geworden und wir erreichen so viel mehr als früher- eben weil der Leistungsdruck weg ist. Manchmal hab ich noch so „das muss aber jetzt!!“- Phasen, dann setze ich mich bewusst nicht aufs Pferd, sondern wir machen eine Woche oder ein paar Tage lang ausgedehnte Spaziergänge oder Zirzensik (ich sag immer, „Auf Lord, wir gehen Blödsinn machen“).

Ach ja, seit 2 Jahren fahren wir 1x jährlich zum Extreme Trail, es ist eine Art Vertrauens- & Beziehungstraining finde ich & zusätzlich Ganzkörpergymnastik, die Lord sehr gut tut. Hier kommen wir an unsere Grenzen, wachsen aber als Team und haben viel Spaß.

Da ich nicht mehr ganz so leicht bin wie früher, reite ich Lord maximal 3x die Woche. Jedoch wäre ich ohne ihn sehr viel schwerer, er ist sozusagen mein „Gewissen“ beim Essen… 😉

Hat ihr Pferd eine Krankengeschichte?: Seit Ende 2012 leidet Lord an allergischem Husten, den wir aber durch viel Bewegung und einen sehr luftigen Paddockstall gut im Griff haben. Damals stand er in einem Offenstall und ich habe viel zu spät bemerkt, dass sowohl Heu als auch Stroh hochgradig verschimmelt waren. Wir haben so schnell es ging den Stall gewechselt, leider hat er trotzdem gesundheitliche Schäden davongetragen. Damals war die Prognose allerdings dass er dämpfig werden würde. Das ist zum Glück nicht eingetreten. Der Wechsel in den neuen Stall hat da sicher einiges dazugetan, dass es nicht so weit kam.
2017 hatte er eine Invagination des Darmes. Damals war nicht klar, ob er überlebt oder ob man ihn einschläfern muss weil eventuell der Darm perforiert ist. Wir hatten Glück und es ging gut aus.
Außerdem hat er Wucherungen am linken Augenlidrand innen, auch das haben wir mit Augensalben & Augentropfen & einer guten Tierärztin gut im Griff. Auch unter der Schweifrübe hat er Melanome, die ihn aber nicht einschränken. Im Hüft- bzw. Kniebereich hat er Bewegungseinschränkungen, die sich dadurch zeigen, dass er eine längere Schrittphase braucht bevor wir „loslegen“ und er sich manchmal verstolpert. Die Tierärztin vermutet Arthrose, was bei seinem Alter nun nichts abnormales ist. Er bekommt dementsprechend Zusatzfutter und regelmäßig osteopathische Behandlungen- wenn nötig. Da Lord sein rechtes Hinterbein erst seit kurzem richtig gelernt hat einzusetzen, habe ich die Hoffnung, dass sich hier eventuell noch was tut- wenn er die Last beim Gehen auf beide Hinterbeine verteilt, statt eines vorwiegend zum Schieben und eines eher zum Tragen zu nutzen. Beim Hufeauskratzen habe ich eine Technik gefunden, wie ich für ihn schmerzfrei an den Hinterbeinen auskratzen kann. Unser Hufpfleger macht häufiger Pausen wenn er an den Hinterhufen arbeitet- so klappt es ganz gut.

Lords Sattel wird 1x jährlich auf Passform gecheckt, 1x jährlich die Zähne von einer Pferdedentistin bearbeitet und 1x jährlich das Blutbild kontrolliert. Außerdem wird er regelmäßig entwurmt und geimpft.

Apropos Sattel: Wir hatten eine lange „Sattelodyssee“, die (abgesehen von meinen reiterlichen Defiziten) mit dazu beigetragen hat, dass Lord nicht vernünftig aufgemuskelt hat und trainiert werden konnte. Seit ca. 5 Jahren haben wir nun endlich DEN passenden Sattel gefunden & seither wurde es auch bezüglich der Muskulatur und des Trainings von Jahr zu Jahr besser.

Wie würden Sie charakterlich ihr Pferd beschreiben?: Lord ist ein mutiger, kleiner Kerl, der so schnell vor nix Angst hat. Ich habe mit ihm am Weihnachtsreiten schon Fackelreiten gemacht, wir sind um Fackeln herumgeritten und ich hatte während dem Reiten eine Fackel in der Hand. Er hatte keine Angst. Auch Traktoren, Schirme, Folien etc. begegnet er neugierig und offen. Allerdings ist er auch ein Pferd, das viel mit sich selbst ausmacht und nicht direkt zeigt, wenn es ihm zu viel ist. Bemerkt man seine feinen Signale der Überforderung nicht und ist es dann zu spät macht er zu. Dann geht gar nix mehr. Er ist dann wie ausgebrannt. Seit ich das weiß (leider habe ich viel zu lange gedacht, ich muss da „drübergehen“ und habe ihm bestimmt viel Unrecht getan) gebe ich ihm rechtzeitig Auszeiten. Auf dem Platz ist er fein zu reiten und motiviert dabei. Er kann auch schlechte Tage haben, hier reite ich dann vorwiegend locker und ohne große Ansprüche, vorwiegend große gebogene Linien & Übergänge. Mit aufwändigeren Lektionen muss ich da dann nicht kommen. Meistens wird dann seine Stimmung im Laufe der Arbeit besser. Wenn er dann locker vorwärts läuft, beende ich die Arbeit auch gerne mal schon nach 30 Minuten, da das Ziel (Lord wird locker & arbeitet gut mit) erreicht ist. Lord hat viel Blödsinn im Kopf und bringt mich damit regelmäßig zum Lachen. Er weiß meistens wie ich drauf bin, bevor ich es weiß. Wird er ungerecht behandelt- also begegne ich ihm mürrisch, weil es mir nicht gut geht z. B. wehrt er sich. Er zwickt dann und ist büffelig. Früher habe ich ihn dafür bestraft. Heute weiß ich, dass ich mein Verhalten ändern muss, da er nicht verantwortlich dafür ist dass es mir schlecht geht und nicht mein Mülleimer für meine Launen ist. Er ist ein absolutes Verlaßpferd, vor allem im Gelände und hält mit den Großen mit. Ich glaube, er denkt, er wäre mindestens 3 Meter groß, dass er nur 137 cm Stockmaß hat ist ihm nicht bewusst. Als ich ihn damals bekam war ich sehr ängstlich. Aber wir haben uns irgendwie gleich gut verstanden. Er war mir eigentlich viel zu klein, aber ich konnte nicht anders- ich musste ihn mitnehmen.

Gibt oder gab es Schwierigkeiten in der Ausbildung?: Vor allem am Anfang unseres gemeinsamen Weges war meine immense Angst eine große Schwierigkeit. Ich hatte davor einen Rheinländerwallach, der im Umgang sehr brav war. Lord war das genaue Gegenteil davon, ich denke, weil ich eben so viel Angst hatte. Er hat das Kommando übernommen. Vom Losreißen und Wegrennen beim Spazierengehen über Ansteigen beim Führen bis hin zu andere Pferde in der Halle verprügeln während ich ihn ritt war alles dabei. Aber ich habe durch ihn so viel gelernt! Meine Grenzen abstecken, hinstehen und mich verteidigen, Mut haben, mir etwas zutrauen- all das habe ich durch mein Pony gelernt. Das hätte kein Therapeut der Welt geschafft. Durchbruch war unser Sternritt 2012. Ich hatte immer total Angst vor dem Ausreiten und bin somit nur mit einer Freundin ausgeritten, die Lord während des Ausrittes sozusagen mit mir drauf als „Führpferd“ dabei hatte. Der Sternritt war „Schocktherapie“ und hat gefruchtet und Lord und mich enger zusammengeschweißt. Alleine mit Lord ausreiten gehe ich erst seit ca. 4 Jahren. Inzwischen ist die Angst weg und ich kann einfach nur genießen.
Lord hatte auch eine Unart- zwicken. Er war wie eine kleine Schnappschildkröte. Zu Anfang hatte ich ihn dafür immer bestraft. Bis ich gemerkt habe, dass auch das ein Zeichen dafür ist, dass er überfordert ist. Also dass ihm das grad zu viel ist oder er zwar weiß was er tun soll aber die geforderte Bewegung ihm schwer fällt. Manchmal ist es auch, weil er zu etwas keine Lust hat. Inzwischen ignoriere ich das Zwicken oder passe mein Verhalten an- also nehme Druck raus oder frag die geforderte Bewegung anders oder leichter an. Inzwischen zwickt er nur noch ganz, ganz selten.

Gibt es weitere Besonderheiten?: Lord hat seine eigene „Verladetechnik“ erfunden. Frei nach dem Motto: „Wollt ihr, dass ich da reingehe? Dann müsst IHR was dafür tun!“ Wir hängen rechts und links am Hänger zwei Longen ein, überkreuzen diese hinter Lords Po (er steht derweil halb auf der Rampe) und schieben ihn mit den Longen rein. Alles Trainieren bringt nix, wir holen die Longen und es klappt. So what- drin ist drin. Wir werden zwar schräg angeschaut & milde belächelt ob unserer „Verlademethode“, aber es klappt und so hat keiner Stress…

Was ich von & mit Lord gelernt habe ist, dass die Ursache für störendes/auffälliges Verhalten beim Pferd in der Regel bei uns selbst zu finden ist. Natürlich bin auch ich keine Heilige und schimpfe ab und an über „den sturen Bock“. Jedoch muss ich bei genauerem Hinsehen feststellen, dass ICH der „sture Bock“ oder die begriffsstutzige Besitzerin bin und nicht mein Pferd Schuld hat. Pferde sind der Spiegel unserer Seele- das ist so zutreffend!

Ich finde, Lord sieht für sein Alter sehr gut aus. Ich bin stolz darauf, was wir beide erreicht haben und hoffe, wir haben noch viele erlebnisreiche, zufriedene Jahre zusammen. Von der Expertise erhoffe ich mir eine sachliche Bestandsaufnahme & Tipps/Ratschläge zum Beheben/Verbessern von eventuellen Defiziten. Mit den Jahren wird man ja doch „betriebsblind“.

Nun ist es leider doch ein langer Text geworden. Aber 13 Jahre sind auch lange. 😉