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Körperbänder & Balance Pads: Das Pferd entscheidet, wann Schluss ist
Kaum ein Pferd wird so optimal geritten, dass es locker, geschmeidig und gesund ins Rentnerdasein wechselt. Stattdessen haben sich häufig verspannte Muskeln, Sattelabdrücke oder auch fehlerhafte Bewegungsabläufe so fest verankert, dass sie jahrelang weiterbestehen – sogar dann, wenn die Ursachen, wie ein unpassender Sattel oder ein schief sitzender Reiter, längst verschwunden sind. Hier kommen Tellington-Körperbänder und Balance Pads ins Spiel. Sie geben dem Pferd sein Körperbewusstsein auf sanfte Weise zurück.
Anke Recktenwald, Pferdewirtschaftsmeisterin und Tellington-Lehrerin (Level 3) aus dem Saarland, setzt beide Trainingsmittel gern ein und gibt dieses Wissen nicht nur deutschlandweit auf Kursen, sondern auch in Webinaren weiter. „Körperbänder, auch Körperbandagen genannt, lösen Verspannungen, indem sie die Propriozeption, vereinfacht gesagt die Körperwahrnehmung des Pferdes, verbessern und eine Verbindung zwischen korrespondierenden Körperteilen wiederherstellen. Dabei wirkt das Band aber nicht aktiv stützend, sondern wird nur locker am Pferdekörper angelegt. Bestehen die Ursachen allerdings weiterhin, kommt die Verspannung nach einiger Zeit zurück“, sagt sie. Das Original Körperband von Linda Tellington-Jones besteht aus einer zwei Meter langen, zehn Zentimeter breiten elastischen Bandage. „Das Material ist sehr weich und schmiegt sich optimal an den Körper des Pferdes an“, so die Erfahrung der Trainerin. Auch die sogenannten Langzugbinden aus dem Medizinbereich kann sie empfehlen; das Material der heutzutage handelsüblichen Elastikbandagen empfindet sie dagegen als zu steif und gummiartig.
„Viele ältere Pferde leiden unter Verspannungen im Genick, die durch Reiten, falsches Anbinden oder Zahnverlust verursacht wurden. Hier kann eine Kopfbandage helfen. Dazu wird ein Körperband parallel oder als Acht locker um den Kopf gewickelt. Die Bandage darf weder stramm sitzen, noch rutschen. Die Enden werden mit Klettverschluss, doppelseitigem Klebeband oder Sicherheitsnadeln verbunden. Knoten sind weniger empfehlenswert, da sie punktuellen Druck ausüben“, sagt Anke Recktenwald. Nach dem Anlegen der Kopfbandage lässt sie das Pferd für einen Augenblick in Ruhe und tritt oft auch einen Schritt zurück: „Manchen Pferden ist richtig anzusehen, dass sie nun in sich hineinhorchen und in tiefe innere Denkprozesse verfallen. Nach einiger Zeit lassen sie ihren Kopf fallen, öffnen das Genick und beginnen tief durchzuatmen. Die Wirkung zeigt sich über die komplette Wirbelsäule bis zum Kreuz-Darmbein-Gelenk.“ Andere Pferde setzen sich ihrer Erfahrung nach weniger tief mit dem Körperband auseinander: „Diese Pferde führe ich nach einer Weile an oder reite sie mit der Kopfbandage. Ich kenne Pferde, denen die Kopfbandage einfach nur hilft, sich zu konzentrieren und ihren Körper gesundheitsfördernd einzusetzen.“ Sobald das Pferd versucht, die Kopfbandage abzustreifen, ist es an der Zeit, diese abzunehmen – egal ob 10 oder 60 Minuten vergangen sind. Die Kopfbandage kann nach Erfahrung der Trainerin problemlos von Laien eingesetzt werden. Auch Körperbänder am Bauch können alte Pferde sinnvoll unterstützen. Sie helfen dem Pferd, die Rippen und die oft festgehaltenen Bauchmuskeln zu entspannen sowie die Atmung zu vertiefen. Nur an den Beinen kann die Trainerin den Einsatz bei Pferden über 20 Jahren nicht uneingeschränkt empfehlen. „Bestehen Schmerzen in den Beinen, schaltet das Nervensystem die Wachheit in diesem Bereich ab. Die Bandage bringt dann möglicherweise nicht nur das Körpergefühl, sondern auch die Schmerzen zurück“, begründet sie ihren Ratschlag. Hier ist ihr individuelles Arbeiten und genaue Beobachtung wichtig.
Das Balance Pad wurde von der amerikanischen Tellington-Lehrerin Wendy Mordock für Pferde entdeckt. Die beweglichen Pads aus Schaumstoff sind in unterschiedlichen Festigkeiten erhältlich und dienen in der Humantherapie zum Stabilisieren von Knie- und Sprunggelenken. Anke Recktenwald setzt die Pads seit fünf Jahren ein und entdeckt immer wieder neue Einsatzmöglichkeiten: „Die Pads können älteren Pferden zum Beispiel beim Spannungsabbau helfen. Sie lösen festgesetzte Muster auf körperlicher und teilweise auch auf emotionaler Ebene.“ Die Trainerin empfiehlt, für Pferdesenioren grundsätzlich die am wenigsten beweglichen, grünen Pads zu verwenden. Ihre wichtigste Regel lautet: „Das Pferd soll freiwillig auf den Pads stehen; niemals länger, als es von sich aus anbietet.“ Dazu gehört auch, dass die Trainerin bei dieser Arbeit grundsätzlich auf Futter-, Stimm- oder Streichellob verzichtet: „Nur so kann ich verhindern, dass das Pferd dem Menschen zuliebe länger stehen bleibt, als ihm guttut.“ Sie empfiehlt, mit einem Huf und einem Pad zu beginnen: „Steht das Pferd ruhig auf dem Pad, entferne ich mich etwas von ihm. Es kann sein, dass es den Huf nur 50 Sekunden oder auch 50 Minuten stehen lässt. Ich gebe ihm immer die Zeit, die es braucht. Wirkt es im Anschluss noch fit, führe ich es für einige Runden und beobachte, ob sich Gangmuster, Balance oder Losgelassenheit verändert haben. Ich achte darauf, dem Pferd in diesem Moment nicht zu viel abzuverlangen, da sonst immer die Gefahr besteht, dass es in alte Muster zurückfällt“, sagt die Trainerin. Fühlt sich das Pferd nach mehreren Tagen Training sichtlich wohl auf dem Pad, kommt ein zweites hinzu. „Ich beginne mit beiden Vorder- oder Hinterhufen. Schwieriger wird es, wenn gleichseitige oder diagonale Beine zeitgleich auf dem Pad stehen sollen. Dies kann ältere Pferde überfordern. Nimmt das Pferd gleichzeitig den ersten Huf vom Pad, während ich den zweiten auf das zweite Pad stelle, lasse ich es gewähren und probiere erst beim nächsten Üben, ein zweites Pad hinzuzunehmen“, sagt sie. Die Pads können auf allen Untergründen, sogar in einer Strohbox, angewendet werden. „Vor allem, wenn ein Pferd aus Verletzungsgründen stehen muss, kann ich ihm viel Gutes tun, da es mit den Pads gelockert und ‚durchbewegt‘ wird, ohne sich zu überfordern“, sagt sie.
Die Pads können so oft und in so unterschiedlichen Kombinationen eingesetzt werden, wie das Pferd von sich aus mitarbeitet. Sie bieten dem alten Pferd eine schonende Trainingsabwechslung. Einziger Ausschlussgrund sind für Anke Recktenwald Pferde, die zum Umfallen neigen. „Auch bei Arthrose können sie achtsam eingesetzt nützlich sein. Die Pferde sollten aber nicht mit den erkrankten Beinen auf den Pads stehen. Sind beispielsweise die Vorderbeine betroffen, stehen sie oft gern mit der Hinterhand auf den Pads, entdecken diese neu, lösen alte Muster auf und entlasten so die schmerzende Vorhand.“ (Nicole Weinhardt)
Mehr Informationen zu Anke Recktenwald erhalten Sie unter www.anke-recktenwald.de
Lese- und Sehtipps:
Wie die Kopfbandage wirkt und aussieht, zeigt Anke Recktenwald in einem Youtube-Video: www.youtube.com/watch?v=m0ydjvj0EaM
Robyn Hood, Mandy Pretty: „Gut gewickelt für Pferde: Tellington-Körperbänder für Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Gesundheit“, erhältlich im Tellington-Shop
Der Artikel ist eine Leseprobe aus unserem Heft „Putzmunter! Glücklich mit älteren Pferden“